DER SCHATZ VON SCHLOß MAUTERNDORF
Eine Bauersfrau ging einst mit ihrem einjährigen Töchterlein in der Nähe des Schlosses spazieren und drang schließlich darin ein. Schon hatte sie einige Räume des damals verfallenen Schlosses durchschritten, als sie plötzlich zu ihrem Erstaunen eine offenstehende Türe gewahrte, die ihr bei früheren Besuchen noch niemals aufgefallen war. Sie schritt hindurch und befand sich, nachdem sie mehrere Stufen in die Tiefe gestiegen war, in einem kellerartigen Raum. Plötzlich sah sie im Halbdunkel etwas gleißen und blitzen. Sie schritt hinzu und sah zu ihrer Überraschung eine Menge glitzernder Goldstücke vor sich auf dem Boden liegen. Die Frau setzte das Kind daneben hin und begann ihre Taschen mit dem Golde zu füllen. Als dies geschehen war, eilte sie unverweilt mit dem gefundenen Schatze nach Hause. Dort erinnerte sie sich plötzlich ihres Kindes, auf das sie in ihrer Aufregung völlig vergessen und das sie im Schlosse zurückgelassen hatte. Schnell kehrte sie dorthin zurück, fand aber zu ihrem Schrek-ken die Tür zu dem Gelasse nicht mehr, in welchem sich ihr Kind befand. In ihrer Bestürzung begab sie sich zum Pfarrherrn, erzählte diesem ihr Leid und fragte ihn um Rat. Dieser sagte ihr, sie müsse warten und nach Jahresfrist genau am selben Tage und zur selben Stunde ins Schloß gehen, dann werde sie ihr Kind wiederfinden. Die Frau tat, wie ihr befohlen und begab sich übers Jahr am selben Tage und zur selben Stunde ins Schloß, fand die geheimnisvolle Tür offen und ihr Kind frisch und unversehrt an derselben Stelle sitzen, wo sie es verlassen.
Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volkssagen, neu
bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S. 70