DER LETZTE BÄR IM LUNGAU

Es war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als der Besitzer des Poschengutes in Unternberg sein Vieh von der Weide heimwärts zum Stalle trieb. Als das Vieh im Stalle beisammen war, ging der Bauer hinein, um zu überzählen, ob ihm kein Stück fehle. Da wurde er zu seinem nicht geringen Schrecken eines mächtigen Bären ansichtig, der sich mitten unter der Viehherde befand und fortwährend begehrliche Blicke warf, scheinbar mit sich zu Rate gehend, welches Stück ihm als fetter Leckerbissen zur Abendmahlzeit am besten bekommen dürfte. Voll Entsetzen rannte der Bauer aus dem Stalle, holte sich aus dem etwas abseits liegenden Hause seinen Kugelstutzen und eilte damit zum Stalle, um das gefährliche Tier zu erlegen. Wie ihm beikommen? Durch die Stalltüre traute er sich nicht, weil ihn der Bär anfallen und zerreißen konnte. Da kam ihm ein guter Gedanke! Er stieg auf das Bretterdach des Stalles und hob einige Schindeln ab, so daß er in den Stall hineinsehen konnte. Dann zielte er nach dem Bären. Der Schuß fiel, und zu Tode getroffen lag die furchtbare Bestie in ihrem Blute. Den zottigen Bärenkopf nagelte der Bauer nachher über dem Einfahrtstor seiner Scheune auf; später kam der Bärenkopf nach Schloß Moosham. Nach einer anderen Sage soll der letzte Bär im Lignitztal erlegt worden sein. Sein Kopf war lange Zeit am Stalle des Wielandbauern angenagelt zu sehen.


Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volkssagen, neu bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S. 42