DER HANSRIEDER


Feldkirchen bei Mattighofen

Als „ehrnfest und wohlfürnehm“ wird jener Andreas Rieder gelobt, für den eine Inschrift in der Hansrieder-Kapelle zum Gebet auffordert. Er war der erste Besitzer jenes Gutes, das an der Nordgrenze der Gemeinde Feldkirchen am Weg von Aschau nach Haselreith im Panholz versteckt liegt.

Viele rätselhafte Geschichten wurden vom »Hånsriada« erzählt und einige merkwürdige Tatsachen überliefert.

Beim besagten Haus soll einmal ein Pfleggericht bestanden haben. Andere meinten, es sei sogar eine Strafanstalt dabei gewesen, und die Sträflinge seien in unterirdischen Zellen gehalten worden. Ein Totenschädel, den man beim Aushub eines Kellers fand, sei der eines solchen Gefangenen gewesen.

Beim Bau der Hansrieder-Kapelle befremdete einen Zimmermann die Tatsache, daß er jeden Morgen eine Kröte von seiner Werkzeugkiste verscheuchen mußte. Kaum hatte er sie jedoch weggeschubst und den Deckel geöffnet, fand er sie unter dem Werkzeug wieder. Er dachte, der Gscheitere gibt nach und ließ sie sitzen. Erst als das Firstbäumchen die Dachgleiche verkündete, verschwand das Unkentier.

Vielleicht zeigte sich in ihm ein verwunschener Bewohner jenes sagenhaften Schlosses, das vor langer, langer Zeit dort gestanden sein soll, wo jetzt die Kapelle ist. Der Name einer Sölde - Schloßmann - erinnert noch daran.

Ein fester Bestandteil der mündlichen Überlieferung wurde das Hånsriada, aber erst durch den alten Besitzer selbigen Namens, der noch im 19. Jahrhundert aus Zauberbüchern zu lesen verstand.

Auf der Kreuzung der beiden Totenstraßen der Feldkirchner und der Eggelsberger zog er jedes Jahr zur Zeit der Mitternachtsmette einen Bannkreis und ließ sich darin vom Teufel die Geschehnisse des folgenden Jahres anzeigen. Er hatte nicht nur dabei gewisse Vorahnungen; auch ohne den Kreis wußte er im vorhinein, wenn unangenehme "Besuche" anstanden.

So erwartete er einmal in einer Mettennacht eine kleine Diebsbande, ließ Tür und Tor unverriegelt und versteckte sich  hinter  der  Stubenkammerstiege. Die Eindringlinge schlichen vorsichtig zur Stubentür herein. Im Schein des vollen Mondes und der Mettenkerze im Hergottswinkel fanden sie sich schnell zurecht, und sie machten sich gleich an die Hausdurchsuchung. Jeder hatte gerade die Nase in ein Türl, Ladl oder Kastl gesteckt, da trat der Hansrieder unbekümmert an den Tisch und machte Licht. Beim Entzünden des Streichholzes machten die Diebe einen Sprung wie von einem Esel geschlagen. Der Hausherr tat, als hätte er ein Ge­schäftstreffen arrangiert, bat die Herrschaften zu Tisch und meinte: „Sitzt's eng amåi nieda, und schneit's eng a Kletzn-broud åwa!“ Er verschwand in der Kammer nebenan, kurz darauf stellte er eine Schüssel mit klingenden Münzen auf den Tisch und einen Krug Most.  „So, iatzt greift's zua, nehmt's eng, wås mögt's!“ Die Kundn sahen sich in ihre schwarzen Gesichter, die sie sich als Tarnung mit Ofenruß verschmiert hatten und wußten nicht, wie sie dran waren. Es war ihnen jedoch weder gegönnt, den Schrecken durch einen herzhaften Zug aus dem Krug hinunterzuspülen, noch auch nur einen Gulden in die Hand zu nehmen. Ein Zauberspruch des Hansrieders hatte sie nämlich „ånbundn“. Lange saßen sie wie gelähmt an dem Stubentisch. Bevor die Hausleute von der Mette heimkamen, nahm er den Aufwischfetzen, schöpfte warmes Wasser aus dem Ofenschiff und wusch den wehrlosen Gästen das Gesicht. Die Mettengeher trafen den Hansrieder mit einer Runde von - lauter Verwandten! Als sie eintraten, löste sich der Zauberbann. Die Entlarvten standen wortlos auf, zogen die Hüte tief ins Gesicht, und bevor sie sich verdrückten, murmelte einer noch: „Nix fia unguat, Hånsriada!“

Einmal machten Zigeuner auf seiner Tenne zwischen den Oesn ein Feuer. Sie sotten sogar in einem Söchta (Holzkübel) Kraut. Der Hansrieder kam fuchsteufelswild in den Stadel und befahl ihnen, auf der Stelle das Feuer zu löschen. Die Fahrenden beruhigten ihn und beteuerten, daß sie des Feuers Macht sehr wohl beherrschten und gar nichts passieren könnte. Da nahm der Hansrieder eine Håbernreitern von der Wand, ging damit zum Grander und füllte das grobmaschige Sieb mit Wasser. Damit kam er zurück ans Feuer und goß den Inhalt auf die zischende Glut. Mit schelmischem Unterton meinte er: »Kint åwa do brinad werdn.« Die verblüfften Zigeuner erkannten, daß ihnen dieser Herr an Zauberkünsten überlegen war und verließen schon tags darauf den Hof. Er ließ sie ungehindert ziehen.

Als er aber wieder einmal Diebe überraschte, die Mehlsäcke aus seinem Haus auf einen Wagen verluden, bannte er sie fest. Sie mußten wie gelähmt ausharren, bis die anderen Hausbewohner heimkamen. Dann aber blieb ihnen nichts anderes übrig, als unter Hohngelächter das Diebsgut wieder ins Haus zu tragen, sonst hätten sie auch noch ihren Wagen hinterlassen müssen.

Warum gerade beim Hansrieder so oft gestohlen wurde, ist nicht ganz erklärlich. Wahrscheinlich lockte sein weitum bekannter Reichtum die Langfinger an. Seine Schätze hat er noch rechtzeitig vor seinem Tod irgendwo im Haus vermauert. Ein späterer Nachkomme suchte einmal danach. Eine Mauer der Milchkammer klang hohl. Er ließ die Mauer ab­tragen. Dahinter stieß man auf eine schwere Kiste. Aber als man das erste Eck davon blankputzte, befiel alle plötzlich eine solche Furcht, daß sie ihr Vorhaben aufgaben und das Versteck wieder vermauerten. Geblieben ist aber nicht nur der ungehobene Schatz, sondern auch der Geschichtenreigen, der das Wunschdenken so mancher auch heute noch beflügeln kann.

„Bauer“, rief sein Knecht einmal dem Hansrieder in den Keller hinunter, „woaßt eh, daß auf deine Zwetschknbam a poa Diab obmsitzn!“ Der aber meinte schmunzelnd: „Låß doh, dånn håm mir koa Oarbeit mit'n Brocka!« Die Diebe wähnten sich ungesehen, und als sie ihre Säcke angefüllt hat­ten, wollte sie wegrennen. Da stand der Hansrieder aber plötzlich unterm Hoftor und kommandierte sie zu sich heran und zwang sie, die Säcke in einen vorbereiteten Bottich zu entleeren.

Quelle: Josef Kramer, Das Innviertel in seinen Sagen, Weitra 1994, S. 192 – 195.