Und ois wengan bledn Gåckal…

Wieder einmal wollen wir uns mit der Nazizeit beschäftigen, wenn es auch viele vermutlich schon anödet, aber eine kurze Geschichte muss noch erzählt werden. Und zwar vor allem deshalb weil sie vor Augen führt, wie absurd jenes Regime oft war und welche schlimmen Konsequenzen sich oft daraus ergaben. Im Grunde genommen handelt es sich in der Geschichte nur um eine arme Bauersfrau, die große Müh und Not hatte ihre Familie über den harten Winter von 1944 hinüber zu retten, denn ihr Mann war schon vor Jahren in Russland gefallen. Wer hätte sich also sonst um ihre drei Kinder gekümmert? Bis Mitte Dezember hinein reichten ja noch die von ihr geernteten Früchte des letzten Herbstes, der nicht viel abwarf, dann wurde es aber knapp und nur noch verschimmeltes Brot und ein paar alte ausgewachsene Erdäpfel waren vorhanden. Und das Traurige daran war aber, dass sie und ihre Familie hungern musste, obwohl draußen im Stall ein paar fette Hühner saßen, aber laut Verordnung von oben, war es untersagt diese zu schlachten. Gestreckt mit im Sommer geernteten Eicheln im Brot war immerhin schon die Weihnachtszeit nahe gerückt, dann aber war es vorbei. Wie es in der Not nun mal so ist, denkt der Mensch kaum über gewisse Konsequenzen nach und daher beschloss sie, ihrer Familie wenigstens zu Weihnachten einen Festschmaus zu bereiten und schlachtete heimlich in der Nacht vor dem Heiligen Abend ihren stolzen Hahn, rupfte ihn und bereitete sie den Kindern. Für diese war das wohl das schönste Weihnachten seit langem und dementsprechend ließen sie es sich auch schmecken. Gesättigt und fröhlich machten sie sich gemeinsam auf den Weg in die Weihnachtsmette, wo sie bemerkte, dass ihre Familie wohl nicht die einzige war, die in den letzten Wochen zu Hungern hatte. Schlecht sahen die meisten aus, die Gesichter eingefallen, bleich, ohne nur dem leisesten Lächeln im Gesicht. Ja, alles für Gott, Führer und Vaterland! Einzig die Parteibonzen sahen so fett aus, wie der Hahn den sie letzte Nacht geschlachtet hatte. Als die Mette zu Ende war, ratschte sie draußen noch etwas mit einer alten Freundin, während ihre drei Kinder sich eine Schneeballschlacht mit den Nachbarn lieferten. Plötzlich begann ein kleines Mädchen zu schreien und alle wussten, dass es einzig der Hunger war, der sie schmerzte. Voller Mitleid blieb der jüngste Spross der Frau stehen, sah das Mädchen entsetzt an, richtete dann seinen Blick zu seinem älteren Bruder und sagte: „Gottseidånk, håm mia heit a guats Hendl zan Ess´n g´håbt, sunst gangats uns woi genau so wia dem Deandl då!“. Erschrocken blickte die Mutter auf ihren Jüngsten, denn nicht nur ihre alte Freundin hatte dem Jungen zugehört, sondern auch einer der NS-Funktionäre. Sofort wurde die Familie fest genommen, verhört und schon am nächsten Tag wurde die Frau ins KZ Mauthausen gebracht. Ihre Kinder wurden zu einer Tante gesteckt, wo sie zwar etwas mehr zum Essen hatten, aber ihre Mutter haben sie an jenem Weihnachtsabend das letzte Mal gesehen.

Kommentar:

Ois weng an bled´n Gåckal: Eine Enzenkirchnerin kam während des Zweiten Weltkriegs wegen des Tötens eines Hahnes ins KZ und kam dort angeblich um. Überliefert von Nöbauer Hedwig 2006.

Quelle: Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 2.