Grenzstoana...

Auch heute ist das Jägingahoiz noch eines der größten Wälder in der ganzen Umgebung. Früher, in uralten Zeiten, erschien es aber schier endlos und nicht nur einem wurde dies zum Verhängnis, wenn er sich des nachts dort aufhielt. Wälder hatten schon immer etwas Geheimnisvolles und Furchteinflößendes und markierten oft Grenzen. Bekanntlich ist auch das Jägingahoiz ein Grenzwald zwischen den Gemeinden Andorf und Enzenkirchen. Heute wie damals durchzogen die Wälder viele kleine Wege, die auch häufig benutzt wurden. Oft mussten Menschen nach getaner Arbeit noch nach Einbruch der Dunkelheit diese benutzen, um zu ihren Lieben nach Hause zu gelangen. Einem armen Dachdecker aus Sigharting erging es ähnlich. Den ganzen langen Tag hatte er auf einer Baustelle in Raab schwer geschuftet und erst in der Abenddämmerung konnte er sich auf den Weg machen. Auf den Weg gab ihm die Bäuerin bei der er tätig war, noch etwas Brot genannt Zwickerl mit, das den Sinn hatte Wandernde vor Unheil zu bewahren. Kraft dieses Brotes, glaubte man, könne einem nicht einmal der Teufel etwas anhaben, war es doch mit Weihwasser gebacken worden. Es dauerte nicht lange und der Dachdecker war bald im nahen Jägingahoiz und obwohl er es kannte wie seine Westentasche verirrte er sich trotzdem darin. Sein ganzes bisheriges Leben lang war ihm das noch nie passiert und nachdem er eine Weile herumgeirrt war, setzte er sich ermüdet auf einen nahen Baumstumpf um etwas zu rasten und sich eventuell anhand der Sterne neu zu orientieren; aber das dichte Geäst verwehrte ihm die Sicht. Während sein Blick so herumschweifte, erblickte er in der Ferne zwei seltsame Gestalten diskutieren. Es musste etwas wichtiges gewesen sein, über was die zwei Männer da diskutierten, denn schnell eskalierte die Diskussion in einem heftigen Wortgefecht. Einer deutet immer auf eine, der Zweite auf eine andere Stelle. Sollte er es wagen die beiden zu stören und sie nach dem Weg zu fragen? Vermutlich war es seine einzige Möglichkeit, also ging er ein paar Schritt auf sie zu und da sah er, dass die zwei unheimlich durchsichtig waren und sie in Kleidung aus uralter Zeit gekleidet waren. Ihm wurde Angst und Bang. Im selben Moment sprang ein kleines, schwarzes Hündlein aus dem dichten, dunklen Unterholz neben ihm und schoss wie der Wind auf die beiden zu. Entsetzt rissen diese ihre Augen auf und starrten mit leerem, hoffnungslosem Blick in Richtung des Dachdeckers, der Furcht und Hoffnungslosigkeit in ihren zu Stein erstarrten Fratzen zu erkennen glaubte. Was könne ihnen so ein winziger Hund schon anhaben? Wovor hatten sie solche Angst? Bevor er aber seine Gedanken noch zu Ende führen konnte, hatte der Hund die Beiden erreicht, rannte zwischen ihren Beinen hindurch und ein lautes Grollen ertönte und zerschmetterte die Stille des Waldes, die vorher einzig von dem Streit der Männer gestört wurde. Vor den Augen des Mannes öffnete sich der Waldboden und die zwei Männer mitsamt dem Hund wurden vom Erdboden verschluckt. Dies war dem Mann zu viel an Unheimlichem und er rannte quer, in der Hoffnung irgendwie raus aus diesem Wald zu kommen, davon,. Irgendwann, war es nach Stunden, oder auch nur nach Minuten gelangte er aus dem Wald raus und nach Hause. Dort angekommen musste er seine Seele erleichtern und erzählte alles seiner Familie, ob sie ihn für verrückt halten würden oder nicht. Sein alter, gebrechlicher Vater erzählte ihm dann, dass er sich an zwei geizige Männer erinnern könne, die einst im Jägingahoiz ihr Unwesen trieben und sich auf Kosten anderer, durch das Versetzen von Grenzsteinen, bereicherten. Nach ihrem Tod sollten sie keine Ruhe mehr gefunden haben, und wurden dazu verflucht jede Nacht erneut die Grenzen zu vermessen, um den alten Verlauf wieder herzustellen. Das schwarze Hündlein aber ist der „Leibhaftige“, der sie jede Nacht wieder zurück in die Hölle reißt.

Quelle: Heimatkundliches Lesebuch Schärding, Heimatbuch Sigharting.
Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 1.