Wånn an Fechta da Blitz stroaft...

Früher waren sie bei uns noch öfters unterwegs als heute, jene Menschen die man gemeinhin als „Fechta“ bezeichnet. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ein solcher öfters in der Hütte meines Großvaters die Nacht zubrachte, um sich nächsten Tag wieder auf Wanderschaft zu begeben. So ist es auch verständlich, dass diesen Menschen unheimlichere Dinge passierten, als den Sesshaften. Der erwähnte „Fechta“ erzählte einmal meinem Großvater, dass er eines Nachts in ein heftiges Gewitter geriet. Es hieß für ihn also schnell einen Unterschlupf finden; also eilte er, weil er gerade dort vorbeikam, zur Kapelle von Ungernberg – in der Hoffnung, dass diese unversperrt sei und er dort Unterschlupf findet. Zu seinem Glück war diese in der Tat unverschlossen und er gelangte hinein. Dort gab es ihm sofort einen heftigen Schock, lag doch in dieser aufgebahrt ein Leichnam. Es dauerte eine Weile bis er sich erholt hatte, aber dann war er froh, dass er nicht im tosenden Gewitter draußen sein musste; da nahm er es gerne in Kauf, dass er einen Toten als Gesellschaft hatte. Übernachten aber würde er, wenn es nicht unbedingt notwendig sei, in dieser Kapelle nicht, das war ihm wohl doch zu unheimlich. Das Gewitter wollte und wollte aber kein Ende nehmen, also beschloss er ein paar Vaterunser für die verstorbene Seele zu beten. Er konnte nicht sagen beim wievielten Vaterunser er war, da schlug ein heftiger Blitz in die Kapelle ein. Im selben Moment erhob sich der Leichnam von der Hüfte an und starrte ihn an. Jetzt hielt den „Fechta“ nichts mehr; Wetter hin oder her, er riss die Tür auf, flüchtete hinaus ins Gewitter und rannte so schnell er konnte davon, um unter einer Linde Schutz zu finden, denn auch er kannte den Spruch, wenn er heute auch nicht mehr wahr ist: „Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen, Linden sollst du finden!“. Ein Baum war ihm bei Weitem angenehmer als Unterstand, als eine Kapelle mit einem Toten der sich nicht entscheiden konnte, ob er nun tot oder lebendig sei. Als das Gewitter zu Ende war setzte er seinen Weg fort.

Quelle: Anton Pöcherstorfer o. J.
Roger Michael Allmannsberger, Sagen aus Enzenkirchen, Teil 1.