Die Huckingerin und der Riese Veit (Tarsdorf)

In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts fand man im Huckingersee die Leiche eines Forstmannes, der in St. Radegund ansässig war. Man vermutete, dass er durch einen Wilderer ums Leben gekommen war. Da keine Todesursache entdeckt werden konnte, waren die Anwohner in dem festen Glauben, das Huckinger-Weibchen hätte ihn geholt. Dieses haust im See und lockt alle hundert Jahre einen unschuldigen Jüngling zu sich. Ihr letztes Opfer soll ein gewisser Veit Seppl gewesen sein, sein Marterl wurde später fortgeschwemmt. Eines Tages war er verschwunden, und als im Lenz der erste Mensch an den Huckingersee kam, fand er den Vermissten im Schilfe als Leiche. Die Füße nach oben, von Fischen halb zerfressen. Auf ihn folgte dann als nächstes Opfer der Forstmann.

Dies zur Einleitung der folgenden Sage:

Wenn man bei Elend (Haid), das nur aus einigen Häusern besteht, vorbeikommt, so trifft man am Waldesrand eine mächtige Eiche. Sie ist weit und breit die dickste und höchste, aber ganz ausgebrannt, da bei jedem Gewitter ein Blitz bei ihr einschlägt; mehr als tausend Jahre zählt sie gewiss. Dort, wo jetzt der Sumpf liegt, stand einst eine Ritterburg, darin als wilder Jäger, grausamer Herr ein Ritter, Veit mit Namen, hauste.

Er war an neun Fuß hoch und grimmig anzuschauen, dabei so stark, dass er den mächtigsten Baum aus den Wurzeln riss. Jene alte Eiche war damals schon ein kräftiger Baum, und doch riss Veit sie bei einem Turniere, das er gab, aus der Erde vor seiner Burg, um den Rittern seine Kraft zu zeigen, und schleppte sie, indem er mit beiden Händen sie emporhielt, an die Stelle, wo sie heute noch steht. Man kennt am Baum noch heute die Spuren der Hände des Riesen. Er war ein wüster Geselle, von seinen Dienstmannen gefürchtet und gehasst. Manche Frau verschwand plötzlich spurlos und in den Losnächsten hört man oft das Weinen und Jammern derer, die im Sumpfe begraben liegen. Die Unglücklichen möchten ihre Leiber in geweihter Erde begraben wissen, doch kein Mensch will nach ihnen suchen und sie erlösen.

Einstmals jagte Ritter Veit auf Elche (Elentiere) mit allen seinen Dienstmannen in seinen weiten Forsten, die bis gegen Braunau reichten. Kurz vorher hatte er einen neuen Falkenwärter in seine Dienste genommen und dieser hatte eine ebenso holdselige wie gottesfürchtige Ehefrau namens Mechthilde. Als die Jagd im Gange war, kehrte Veit unvermutet heim. Eben hatte der Burgkaplan die heilige Messe beendet und Mechthilde kniete allein in der Kapelle vor dem Altare, als Veit eindrang, die Türe hinter sich verschloss und nun an das ehrbare Weib mit ungebührlichen Anträgen herantrat. Da Mechthilde sogleich erkannte, dass sie wehrlos der Gewalt des Riesen ausgeliefert war, rief sie mit entsetztem Herzen zu Gott: „Herr, du siehst diesen Schänder deines Altares und Verächter aller Tugend. Lieber möchte ich im Huckingersee begraben liegen, als deine Gebote übertreten!“ Die Leute Veits vernahmen ein schreckliches Krachen, als wäre die Erde geborsten, und als sie vor Schrecken heimkehrten, fanden sie von der Burg und ihren Hütten keine Spur mehr.

 

Huckingersee

Huckingersee; Mai 2004

An der Stelle aber, wo die Burg gestanden, war ein Sumpf. Die Gegend wurde dann das „Elend“ genannt. Mechthildes Bitte wurde erfüllt. Sie liegt im Huckingersee begraben und Veit wandert im Moor herum, seine Herberge aber hat er im tiefsten Grunde des Sees von Ibm. Alle hundert Jahre muss er dem nassen Huckinger-Weibchen einen schuldlosen Jüngling zum Opfer bringen, damit seine Schuld sich vermehrt, er daher nie erlöst und selig werden kann. Mechthilde aber muss zur Strafe dafür, dass sie sich gleich den Tod gewünscht hatte bis zum Ende der Welt im See bleiben; erst wenn die Welt in Trümmer geht, wird sie erlöst werden.

Quelle: Email-Zusendung Barbara Katzlberger, 12.Jänner 2006. Der Text wurde von einer Erzählung abgeschrieben, die handschriftlich geschrieben im Gemeindeamt Tarsdorf aufbewahrt wird.