TRAUNKIRCHEN


I.

Ein Herr von Ort steckte seine Tochter in das Nonnenkloster Traunkirchen, um sie von ihrem Geliebten, einem Ritter von Wartenberg - andere sagen vom Herrn des Schlosses Karbach, das gegenüber dem Seeufer lag - zu trennen. Aber jede Nacht, wenn alles ruhig war, durchschwamm der wackere Ritter den See, um seine Herzallerliebste wiederzusehen, geleitet von einem Licht, das ihm das Mädchen auf den Vorbau stellte. Da entstand eines Nachts ein furchtbarer Sturm, verlöschte die Lampe und riß den ziellos mit den Wogen kämpfenden Schwimmer in die Tiefe. Der Leichnam wurde ans Ufer gespült und das arme Mädchen stürzte sich in die Fluten, um endlich mit dem Geliebten vereint zu sein. Die Namen verschiedener Örtlichkeiten erinnern noch an dieses Trauerspiel und mehrere österreichische Dichter haben die Geschichte vom "Leander der Traun" besungen.


II.

Das Johanneskirchlein auf der Felsenhöhe von Traunkirchen steht anscheinend auf den Ruinen eines heidnischen Tempels. In der Höhe von mehr als zwei Metern ist an seiner Außenwand ein riesiger, aus Stein gehauener Kopf zu sehen. Die Sage behauptet nun, daß er die Durchschnittsgröße der heidnischen Ureinwohner der Gegend anzeige, die so stark waren, daß sie einen wilden Stier mit bloßen Händen bändigen konnten. Baal soll der erste Gott dieses Geschlechtes gewesen sein.


Nach Auguste Marguillier, "A travers le Salzkammergut", 1896 in:
Hans Commenda, Zur Volkskunde des Salzkammergutes vor fünfzig Jahren, in: Volkskundliches aus Österreich und Südtirol, Hermann Wopfner zum 70. Geburtstag dargebracht, Hg von Anton Dörrer und Leopold Schmidt, Wien 1947.