B. Versunkene Zeiten.
8. Von schwerer Seuche und Hungersnot.
1. Die Pest.
300. 1714 wütete in Bayern die Pest. Ein Knabe floh vor der furchtbaren Krankheit und steckte die Orte an, durch die er kam, besonders Thalgau, St. Lorenz, Mondsee. Im Bauernhaus Wistauder starb er auf der Tenne und wurde am Waldesrand begraben. An der Stelle liegt ein grauer, unförmiger Stein, der Peststein. In Mondsee hob aber nun das große Sterben an.
Vor etwa 40 Jahren hat man beim Peststein menschliche Gebeine gefunden und tiefer gebettet.
*301. Wieder einmal herrschte eine furchtbare Seuche im Lande. Die Menschen fielen um und starben. Als Erinnerung blieb das "Helf Gott" beim Niesen.
*302. Wahrleiten bei Henhart starb durch die Pest fast aus, der einst große Ort wurde wahrend der folgenden Hungersnot um eine Pfanne voll Koch verkauft. Eine Pestkapelle erinnert an diese furchtbare Zeit.
303. In Mundenham bei Palting blieben zur Pestzeit nur fünf Leute am Leben. Die Pestgegend war von Wachen umstellt und aller Verkehr verboten.
304. Ein Geißbock nimmt alle Krankheitskeime an sich. In Tragwein soll ein Mann während der Pest ständig einen Geißbock mit sich gezogen haben und gesund geblieben sein. Auch in Neuhofen an der Krems wurde zur Pestzeit ein Ziegenbock in den Wohnungen herumgeführt.
305. In der Ortschaft Rodl bei Walding starben alle Leute an der Pest, nur zwei Bauern, "der Holinder" und der "Bauer in Steg" krochen in einen Schweinestall und retteten sich dadurch vor dem schwarzen Tod.
306. Holzleiten bei Naarn starb durch die Pest aus. Nur die Leute, die sich im Schafstall versteckten, blieben verschont, sie ließen die Schafe in den Hof, gaben ihnen für zwei Tage Futter, ebenso den Rindern und Pferden im Stall, dann verstopften sie alle Risse mit Stroh, krochen in den Stall und hatten Nahrung für zwei Tage mit. Die Pest strich um den Stall, drang aber nicht hinein. Sie waren gerettet.
307. Als die Pest in das Land brach, kamen in Kremsmünster die Pestkranken ins Lazarett in der "Kühweide". Sie verlangten vom Kloster einen Seelsorger. P. Sebastian wurde entsandt. Beim Abschied vom Kloster sagte er, wenn er sterben sollte, werde im Lazarett mit einer Glocke gelautet werden, um einen neuen Priester zu rufen. Wirklich holte ihn der schwarze Tod und man begrub ihn auf der Pestleiten. Ein anderer Priester kam und blieb bis zum Schwinden der Krankheit im Lazarett.
*308. Als die Pest in Steyr hauste, stand P. Anselm den Kranken bei und opferte sich auf, bis sie ihn selbst bei den Pesttoten auf der Wiese zu St. Anna bestatteten.
*309. Als die Pest die Umgebung von Ried in der Riedmark heimsuchte, tat sich besonders ein junger Priester in der Tröstung der Kranken und Sterbenden hervor und fühlte selbst schon die Anzeichen der tückischen Krankheit in sich. Zu einem Sterbenden in Zicking gerufen, machte er sich aber doch mit der Hl. Wegzehrung auf. Mühsam ging es vorwärts, auf der Höhe aber verließ ihn die Kraft, er verschied, das Allerheiligste krampfhaft in der Hand. Vorübergehende begruben ihn an Ort und Stelle und pflanzten eine Linde. Der Sturm riß sie vor Jahren um, es wurde eine neue gepflanzt.
*310. Der Bettel Toni war ein Weltpriester aus Deutschland. Im Jähzorn hatte er einen anderen Priester niedergeschlagen. Zur Buße erhielt er in Maria Einsiedeln in der Schweiz den Auftrag, sich solange der priesterlichen Funktionen zu enthalten, bis sonst ohne sie ein Sterbender ohne Trost dahingehen müßte. Auf seiner Wanderschaft nun kam er nach Lochen und verdingte sich beim Müller in Petersham. Da brach die Pest aus. Er sah die letzte Stunde seiner Buße gekommen, gab sich zu erkennen, gab den Sterbenden die Sakramente und linderte die Not, wo er konnte. Gegen die Pest schützte er sich dadurch, daß er die Klerik fleißig in den Rauchfang hängte.
*311. Nach dem Ausbruch der Pest soll der damalige Pfarrer ein Stiftspriester von Ranshofen, seine Pfarre Geretsberg verlassen haben. Ein Weltpriester trat an seine Stelle und seither blieb die Pfarre weltlich.
312. In Wels wütete einst die Pest. Von den Landleuten durfte niemand in die Stadt, auch nicht zum Gottesdienst am Sonntag. Um nun doch Gottesdienst halten zu können, bauten sie in der Allee, die von Puchberg zur Stadt führt, einen Altar aus Steinen auf. Heute steht dort die Pestsäule.
*313. Um Steinerkichen an der Traun finden sich mehrere Kreuzsäulen, die weiteste etwa ¼ Stunde von der Kirche. Zur Pestzeit wurde nämlich ein Kreis um Kirche und Dorf abgesteckt, den niemand überschreiten durfte. Wo dieser Kreis die Straßen und Zugänge schnitt, wurden diese Säulen gesetzt. Hier pflegten sich die Leute, die nicht in den Ort durften, zur Zeit der Messe zu versammeln.
Etwa eine Stunde von Steinerkirchen steht beim Kreuzbauern ein Kreuz. Hier wurde während der Pest getauft, hervorgesegnet und sonstige kirchliche Handlungen vollzogen. Zur Erinnerung setzte man das Kreuz.
314. In Ischl hauste die Pest so furchtbar, daß auf den Sulzbachfeldern drei Gruben für die Pestleichen gegraben werden mußten.
315. Bei der kleinen Dreifaltigkeitskapelle in Grieskirchen soll ein Pestfriedhof aus dem Jahre 1585 gewesen sein.
316. Zwischen den Schneeberger Häusern bei Gschwandt wurde ein pestkranker Mann vergraben.
318. Als die Pest in Holzleiten ausbrach, war gerade Kornschnitt. Die Leute fielen am Felde tot zusammen. Am Wege vom Felbferdl längs des Hölzeis nach Laab sperrte ein Totengader die Straße. Dort wurden die Leichen begraben, da sie nicht auf den Naarner Friedhof gebracht werden durften.
*319. Die Pest herrschte einst furchtbar in Mühlbach bei Steyr, die Toten wurden in einer Wiese im Eggergrund eingegraben, die davon noch heute Friedhof heißt.
320. Ebenso heißt eine Flur am Wege von Tragwein nach Lugendorf Freithof, hier liegen Pesttote.
321. Die Johannesgasse in Wels hieß einst Totengasse, weil einmal zu Pestzeit daselbst die Toten in einen Brunnen geworfen wurden.
322. Als in Mitterkirchen der schwarze Tod umging, fielen am westlichen Friedhofeingang vom vollbeladenen Leichenwagen vor dem Gitter Leichen auf die Erde. Seither heißt das Gitter "Totenfallgitter".
323. Vor vielen, vielen Jahren hatten im Kobernauserwald Zigeuner ein Lager. Unter ihnen brach eine böse Seuche aus. Damit die Krankheit sich nicht verbreite, hat man die Toten an einer abgelegenen Stelle begraben, sie heißt noch heute "Die Zigeunerin".
*324. Zur Zeit einer großen Pest faßte der Friedhof von Haigermoos die Toten nicht mehr, die Leichen wurden im Walde verscharrt. Man sieht dort noch gräberartige Erhebungen.
325. In Liebenstein brach 1624 und 1625 eine gefährliche Seuche aus. Die Leichen wurden auf einem abgesonderten Teile des Friedhofes in Liebenau beigesetzt und ein großes Kreuz errichtet. Erst in neuester Zeit wurde dieser Friedhofteil wieder belegt.
326. Als im 17. Jahrhundert auch in Walding die Pest die Leute dahinnahm, führte der "alte Breitner" die Leichen auf einem Ochsenwagen zum "Augattern" und legte sie in eine Grube. Heute steht dort an der Haltestelle der Eisenbahn eine Steinsäule.
327. In Biberbach bei Kematen a. d. Krems starben 1713 an der Pest ganze Häuser aus. Im Garten des Wirtes war der "Freithof". Eine Muttergottesstatue wurde dort errichtet.
328. Auf der Pestleiten in Kremsmünster wurden die Pesttoten rings um die Pestsäule begraben. Noch heute steigen giftige Dämpfe von den Gräbern auf und ziehen hinab zum Bach. Wer nun barfuß den Bach durchwatet, den greifen die Dämpfe an, die Pest wird wieder frei und bricht von neuem aus.
329. Überhaupt künden weit herum im Lande Pestsäulen und Kreuzstöckl die schwere Zeit, die die bösen Seuchen gebracht hat. In Prägarten steht die Pestsäule am alten Nordende des Ortes, in Weitersfelden am Südende. Hier hat die Pest angeblich halt gemacht.
330. An der Stelle, wo die Pest in der Gegend von Pattighofen und Lenzing halt machte, steht die Pestkapelle in Oberachmann.
331. Als in Tragwein Pesttote auf den Pestfriedhof beim Wolflhofergut geführt wurden, fiel bei der heute ausgetrockneten Seelacke an der Straße gegen Schwertberg ein für tot Gehaltener vom Wagen, er rührte sich aber noch, doch ehe man helfen konnte, ertrank er in der Lacke.
Andere erzählen wieder, er kroch in das kalte Wasser und wurde wieder gesund. An der Stelle wurde eine Kreuzsäule errichtet.
332. Von Mönchdorf, wo auch die Pest schreckliche Opfer forderte, wurden die Pestleichen immer zusammen auf einen Wagen geladen und auf den Friedhof nach Königswiesen gebracht. Bei der Kappermühle verlor der Fuhrmann einen Toten, ohne es zu merken. Als er wieder zurückkam, saß der Totgeglaubte am Wege. Der Fuhrmann nahm ihn wieder heim nach Mönchsdorf. Von da an soll die Pest aufgehört haben.
Ob die Steinsäule bei der Kappermühle auf diese Begebenheit zurückgeht, weiß niemand mehr sicher.
*333. Die Schwand starb zur Pestzeit ganz aus. In Neukirchen an der Enknach blieb ein Hof verschont, weil sich die Leute in den Schafstall legten, ringsum starben die Häuser aus. Eine Pestsäule in der Nähe der Hofmühle kündet die Stelle des Pestfriedhofes. Auf einem Karren führte der Totengräber die Toten hinaus und sperrte die ausgestorbenen Häuser zu. Ein vermeintlicher Toter fiel ihm einmal hinab und kam wieder zum Leben.
*334. Auch in Ostermiething fiel ein als tot angesehener Schwerkranker unbemerkt vom Wagen, schleppte sich in einen Schafstall und verkroch sich unter den Mist, der die Pest ganz auszog. Auch in Haigermoos lag eine alte Frau schon auf dem Pestwagen, konnte aber doch noch Herabkommen und verkroch sich im rettenden Schafmist.
335. Um ein Bauernhaus bei Ostermiething war die ganze Nachbarschaft ausgestorben. Die Bäuerin riß die Grenzpflöcke, die Moarstempen der verlassenen Felder und Wiesen, aus und vergrößerte so den eigenen Besitz.
336. In Stangl bei Ulrichsberg hauste die Pest so furchtbar, daß alle Leute an ihr starben. Ein altes Mütterlein zog die Toten mit einer Mistgabel zur Pestgrube hinaus und warf sie hinein. Die alte Frau blieb aber von der Pest verschont.
337. In Mahrersdorf, Gemeinde Selker, wieder blieb nur ein Mädchen namens Maria über. Ihr zu Ehren nannte man das Dorf Mariesdorf, später Mahrersdorf.
*338. Als um die Mitte des 17. Jahrhunderts die Pest im Lande war, starb die Ortschaft Anzendorf zwischen Ried in der Riedmark und St. Georgen aus. Nur ein einziger - a anziger - blieb über, daher soll der Name der Ortschaft kommen.
*339. Die Pesttoten in der Pfarre Unterach wurden in "Elend" begraben. Von der Ortschaft Buchenrot waren nämlich nur zwei Leute übrig geblieben, die die anderen begraben mußten, der eine rief dabei aus: "Ist das ein Elend." Davon bekam die Stätte und die ganze Ortschaft den Namen.
*340. In Pichlwang und Eck waren in der Pestzeit nur mehr zwei Frauen am Leben. Täglich lief die von Eck den Berg hinab auf die Wiese und die von Pichlwang ging auf die Straße, damit sie sich überzeugten, daß die andere noch lebte. Beide blieben verschont.
*341. Am Attersee wütete die Pest so fürchterlich, daß nur ein Mann in Fasching bei Unterach und eine Frau in Weyregg am Leben blieben, ohne voneinander etwas zu wissen. Der Mann schaute nach Menschen aus und sah den Rauch in Weyregg, zugleich hatte die Frau den Rauch in Fasching bemerkt. Beide fuhren sogleich der Richtung nach und trafen sich mitten auf dem See. Von diesem Paar stammten die späteren Bewohner am See ab.
*342. Steinbildnisse eines Mannes und einer Frau befinden sich an der Stadtpfarrkirche in Wels, in einem Haus auf dem Stadtplatz und am ehemaligen Gerichtsdienerhause. Es sind die allein von der Pest verschonten Ehepaare aus der Zeit der Pest.
*343. Als die Pest in und um Vöcklamarkt arg wütete, blieb im benachbarten Mösendorf nur ein altes Ehepaar am Leben, das den Kranken und Sterbenden christlichen Beistand leistete. Zum Andenken, daß sie verschont blieben, ließen sie in Mösendorf dort, wo die Pesttoten begraben waren, eine Kapelle erbauen.
344. In Landshaag erinnert die Pestsäule in nächster Nähe des Pulvermacherhauses an die furchtbare Seuche. Nur drei Leute blieben am Leben. Sie machten ein Gelübde, jedes Jahr zu Ehren der drei Heiligen Rochus, Sebastian und Rosalia in Feldkirchen eine Messe lesen zu lassen.
*345. In Mundenham im Innviertel blieben von den 100 Einwohnern nur fünf von der Pest verschont. Noch erinnert eine Kreuzsäule daran, daß damals der Gottesdienst unter einer Eiche im Freien gehalten wurde.
346. In Lauffen bei Ischl wütete einst die Pest so arg, daß nur sieben Leute übrig blieben. Von ihnen stammt die jetzige Bevölkerung ab.
347. Ein Knabe aus Traunkirchen blieb in Siegesbach von der Pest verschont. Als er, herangewachsen, Bäckermeister in Rom war, ließ er zum Dank dafür 1639 die große Glocke am Johannisberg in Traunkirchen gießen.
Quelle: Oberösterreichisches
Sagenbuch, Hg von Dr. Albert Depiny, Linz 1932, S. 408 - 412
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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