10. Von Versunkenen Stätten, von Schuld und Sühne.
3. Frevel fordert Sühne.

75. Bei Holzöster im Bezirke Wildshut liegt ein kleiner See. An seinem versumpften Westende befindet sich ein Hügel, der Puderstall. Hier stand ein Schloß, in dem ein wilder Graf hauste, der die Armen unterdrückte. Sobald er einen Armen bei seinem Burgtor erblickte, ließ er ihn ergreifen und in den Turm werfen. Dort mußten die Unglücklichen elend verhungern, und wenn sie schrien und jammerten, spottete er: "Hört meine Kornmäuse!" Dafür aber strafte ihn Gott. Das Schloß war auf einmal voller Mäuse, selbst in Kasten und Bett kamen sie. Da baute sich der Graf ein Schloß in den See und hielt sich nun für sicher. Aber auf Hobelspänen und Holzabfällen schwammen die Mäuse hinüber, der Graf wurde sie nicht mehr los und mußte, von ihnen zu Tode gepeinigt, elend zu Grunde gehen. Die beiden Schlösser verfielen. Auf dem heute noch so genannten Burgstall zu Holzöster soll man in einem Wassertümpel die Türme einer versunkenen Burg sehen können.

*76. Nach einer anderen Erzählung ließ er zur Zeit einer großen Hungersnot seinen Kornspeicher öffnen und erlaubte den Leuten, so viel Korn zu nehmen, was sie schleppen könnten. Als die Leute aber im Speicher waren, ließ er die Tore schließen und den Kornkasten in Brand stecken. Damit war das Maß seiner Sünden voll, die Mäuse überfielen ihn.

77. Ein Ritter von Werfenstein war wegen seiner Grausamkeit weit und breit gefürchtet. Er berief seine Leibeigenen in einem Stadel beim Prüchlerholz zur Robotarbeit zusammen. Als aber alle im Stadel waren, ließ er ihn schließen und anzünden. Als die Unglücklichen schrien und jammerten, rief er: "Hört, wie die Mäuse winseln!" Seit dieser Zeit konnte er es in der Burg vor Mäusen nicht mehr aushalten, überall quälten sie ihn. Als es zu arg wurde, verkaufte er seine Feste und baute sich auf dem Haustein eine andere, aber auch hieher kamen ihm die Mäuse nach und er mußte elend zu Grunde gehen.

*78. Vor etwa 500 Jahren hauste auf Schloß Neuhaus ein grausamer Vogt, der den Donauzoll rücksichtslos einhob. Eines Tages wollte ein Handelsschiff landen, der Vogt kam aber zuvor und zog das Schiff ans Land. Er behauptete, das Schiff hätte sich dem Zoll entziehen wollen und erklärte die Ladung für verfallen. Die Schiffleute setzten sich zur Wehr, unterlagen aber, der Kaufherr wurde in Ketten gelegt und in die Burg geschleppt. Er verfluchte den Vogt: "Elend sollst du zu Grunde gehen, lebend von Schlangen und Nattern aufgefressen werden." Der Vogt lachte nur darüber und setzte seine Untaten fort. Schließlich drohte ihm die Gefahr, zur Rechenschaft gezogen zu werden. Er flüchtete auf eine Donauinsel, auf der er einen festen Turm erbaut hatte, nur ein Spießgeselle blieb bei ihm. Dieser holte einmal von Neuhaus herüber Lebensmittel. Als er wieder zurückkehrte, fand er das Tor offen und den Vogt von Schlangen umwimmelt tot am Boden liegen. Er wollte flüchten, aber die Schlangen erreichten auch ihn und töteten ihn. Seither heißt die Insel die Schlangeninsel.

79. Auf der Feuchtaueralm im Sengsengebirge lebte eine übermütige Sennerin. Eines Tages mußte sie auf die Suche nach einigen verlaufenen Rindern gehen. Unter dem sogenannten Haltersitz machte sie mit dem Milcheimer in der Hand Rast und fluchte über die Mühen und Beschwerden. Ein Wetter stieg auf und ein Blitz tötete die Sennerin. Auch der Milcheimer war verschwunden. Zwischen den nackten Steinfeldern quellen seither zwei Seen. Kommt einmal durch die aufgehende Flut der Milcheimer wieder zum Vorschein, ist der jüngste Tag nicht mehr weit.

Nach einer anderen Erzählung sollen die Milcheimer im Wunderloch, einem kleinen Teich bei Molln, der unmeßbare Tiefe haben soll, zu Tage treten.

80. Ein Mädchen aus Schwantendorf ging mit zwei Burschen übermütig vom Tanz heim und sagte, weil sie den Rosenkranz vergessen habe, sei es noch viel lustiger gewesen. Da hob es das Mädchen plötzlich von der Erde und sie fiel sterbend dem einen Burschen in die Arme. Zum Gedenken wurde das Bildstöckl neben der Schmiede in Kronast errichtet. Es trägt die Jahreszahl 1823.

*81. In einem Bauernwirtshaus nahe der böhmischen Grenze saßen einst arge Lästerer beisammen und spotteten über die Sakramente und das Meßopfer. Auf einmal tönte von der Kirche her die Wandlungsglocke. Da nahm ein Bursch aus dem Brotkorb am Tisch einen Zelten und hob ihn empor, ein zweiter nahm sein volles Weinglas und tat dasselbe. Im selben Augenblick aber waren beide zu Stein erstarrt und an Händen und Füßen kohlrabenschwarz.

82. Ein Bursch hatte vor dem Abspeisen Bretzen gegessen. Als ihm dies einer verwies, sagte er: "Unser Herrgott hat lange gut auf dem Grebbat liegen." Bald aber wurde er krank und mußte versehen werden. Als der Priester eintrat, hatte er die Hostie nicht mehr bei sich. Er ging zurück und fand sie auf einem Grebbathaufen. Als er wieder zum Hause kam, war der Kranke schon tot.

83. Drei Bauern und eine gottlose Wirtin verspotteten einst das Allerheiligste. Die Wirtin speiste die drei Männer mit Wurstradeln ab. Kaum aber hatte sie begonnen, fiel sie tot um.

*84. In Wildshut ließ ein Bezirksrichter eine Kapelle in einen Roßstall verwandeln. Als er bald darauf mit seiner Tochter in Osternnething war, scheuten auf der Heimfahrt die Pferde, die Tochter wollte abspringen, verfing sich aber und wurde auf der Straße blutig geschleift.

85. Zu Niederwaldkirchen war ein Mädchen verstorben und lag im Sarg unter dem Übertan. Ein Knecht sagte: "Heut bei der Leiche schrecke ich die Nachbarsmenscher", nahm die Leiche aus dem Sarg, legte sich selbst hinein und zog den Schleier über. Als die Dirnen kamen, wollte er aufrumpeln. Aufrumpelte er wohl, dabei rief er aber: "Gott läßt mit sich nicht spotten" und fiel als Leiche um.

86. Vor ein paar 100 Jahren wurden zwei Gosauer von einem Gewitter überfallen. Der eine rief: "Es ist mir angst und bange, daß wir vom Blitz erschlagen werden." Der andere aber sagte: "Sei doch nicht so! Ich heiße Peter und schmeiß aufs Wetter." Ein Blitz traf ihn und er war auf der Stelle tot. Seither heißt der Kamm, über den der Blitz hinabfuhr, Donnerkogel und jener, dem die Männer zugingen, Peterskogel.

*87. Bei einem heftigen Gewitter stand ein Bauer unter der Haustüre, fluchte wegen des Wetters und verwünschte den Herrgott, ja er streckte die Zunge gegen den Himmel. Als er sie wieder zurückziehen wollte, konnte er es nicht mehr. Die Leute hielten ihn für besessen und wichen ihm, wo sie konnten, aus.

88. Ein anderer Bauer fluchte bei jeder Gelegenheit. Einst tat er es auch beim Pflügen. Da hielt eine unsichtbare Hand das Gespann und ließ es nicht weiter. Der Mann wurde plötzlich stumm und bekam erst nach neun Jahren seine Sprache wieder.

89. Auf Lichtenhag wohnte ein eitles Schloßfräulein, das einen Zauberspiegel besaß. Fragte sie ihn: "Spiegel an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?", kam die Antwort: "Ihr seid die Schönste im Land, aber des Torwächters Tochter ist noch tausendmal schöner als ihr!" Deshalb beschloß das Fräulein, das Mädchen zu vergiften und ließ ihr zum Namenstage vergiftetes Zuckerwerk überreichen. Kaum hatte es davon gegessen, fiel es tot um. Das Fräulein war zwar nun die Schönste, fand aber keine Ruhe. Ihre Gewissensangst wurde immer größer und eines Tages stürzte sie sich von einem hohen Felsen in der Riffelshoferleiten in die Tiefe. Als man die Leiche fand, erkannte man nur mehr an den Kleiderresten, daß es das Burgfräulein war, denn die Raben, die scharenweise auf dem Felde saßen, hatten den Kopf ganz zerhackt, daher wurde der Felsen Rabenstein genannt.

90. In Unterhart bei Steinhaus wurde einst ein Kramer umgebracht. Man errichtete ihm ein Kreuz. Als es morsch wurde und umfiel, starb im selben Augenblick der Mann, den man schon lange im Verdachte der Mordtat hatte.

*91. Von zwei Brüdern, die im Vaterhaus lebten, beging der eine ein Verbrechen. Beide standen deshalb vor Gericht. Aber der Unschuldige wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet. Der Verbrecher ging frei. Von der Stunde an wich aber aller Segen vom Haus, kein Besitzer starb eines natürlichen Todes. So ging es fort, bis nach längerer Zeit die Unschuld des Gerichteten an den Tag kam. Jetzt kehrte der Segen wieder auf das Haus zurück.

92. Junker Hans Stollhamer von St. Gilgen freite um die schöne Tochter einer bösen Frau. Vor der Hochzeit - es war zur Winterszeit - brannte deren Anwesen ab und unter schrecklichen Verwünschungen sagte die Frau: "Da ich keinen Fleck Erde mehr habe, soll die Hochzeit meines Kindes auf der Eisdecke des Sees stattfinden!" Alle Vorbereitungen wurden getroffen. Die Musikanten spielten auf einem Felsenriff. Alles war lustig, nur Bräutigam und Braut waren voll böser Ahnungen. Wirklich brach das Eis ein und die Brautmutter ertrank mit ihren Gästen. Nur das Brautpaar konnte sich retten und errichtete zum Gedächtnis das Hochzeitskreuz am Ufer des Wolfgangsees.

Nach einer anderen Erzählung zog eine lustige Gesellschaft von einer Hochzeit über den zugefrorenen See. Sie wagten auf dem Eise noch einen Tanz, brachen aber alle ein. Nur die Spielleute, die am Ufer geblieben waren, kamen mit dem Leben davon.

93. Eine Hochzeitsgesellschaft benahm sich auf dem Eise des zugefrorenen Hallstätter Sees gotteslästerlich. Das Eis barst und die Gesellschaft ertrank. An das Unglück erinnert die Säule im Schloß Grub in Obertraun.

94. In Grieskirchen befindet sich nördlich vom Schwibbogen ein altehrwürdiges Marienheiligtum, zu dem früher Wallfahrten gehalten wurden. Im 19. Jahrhundert stand vor der eigentlichen Kapelle, die eine barocke Marienstatue enthielt, ein hölzerner Vorbau. Dort sah einmal ein junger Bauer, der unten am Hohlweg vorbeifuhr, Lichter brennen, die eine fromme Hand angezündet hatte. Der Bursch sprach im Übermut Lästerworte gegen die Gottesmutter. Im selben Augenblicke lag er jedoch im Dornengestrüppe und war unfähig, sich selbst zu befreien. Er mußte warten, bis jemand kam und ihn herauszog. An der Kapelle ging er sein Lebtag nicht mehr vorbei.

95. Geht man von Lambach traunabwärts, so sieht man unterhalb der Eisenbahnbrücke die Spur eines uralten Wasserkanales, der sich gegen Nordosten hinzieht und bei der Ortschaft Graben besonders deutlich hervortritt. Der Erbauer des Kanales sagte am Vortage der Eröffnung: "Heute noch fließt die Traun dorthin, wo es unser Herrgott will, morgen wird sie dorthin fließen, wo ich es will." Vom Kanal sieht man nur noch Spuren, die Traun aber fließt heute noch in ihrem alten Bett.

*96. Aufständige Bauern plünderten 1626 ein ganz alleinstehendes Haus bei Wels. Die Hausfrau wollte ein Marienbild vor ihnen in Sicherheit bringen, während die Bauern eben zechten. Sie bemerkten aber, wie sie mit dem Bilde davon schlich und entrissen es ihr. Einer von ihnen, brannte nach allerlei Gespött dem Bilde beide Augen aus und warf es dann auf den Misthaufen im Hof. Bald darauf geriet der Frevler in die Hände kaiserlicher Soldaten. Sie brannten ihm mit einem glühenden Eisen beide Augen aus und setzten ihn auf einen Misthaufen, wo er elend zugrunde ging. Wiederholt rief er: "Ich hab es verdient!"

*97. Ein Jäger in Ottnang schoß aus Übermut auf ein Marienbild, das im Walde an einem Baum angebracht war. Von dieser Stunde an verlor er die Sprache und wurde irrsinnig, er bellte fort wie ein Hund und ging elend zugrunde.

98. Das Geißlholz bei Niedertalheim heißt so, weil sich dort einst im Dickicht lange eine weiße Geiß zeigte. In dem Holz jagte einmal ein Bauer am Sonntag während der Messe. Als von Schwanenstadt die Wandlungsglocke herübertönte, sah er eine Menge Hasen, daß er außer Fassung kam. Bald packte ihn aber der Jagdeifer, er schoß in den Haufen, traf aber nicht, was ihn noch mehr verwirrte. Mit einem waren die Hasen verschwunden, gleich darauf hatte er eine grauenhafte Erscheinung, daß er aus dem Walde floh; er sprach sich darüber nicht aus, ließ aber an dieser Stelle die Krötlinger Kapelle errichten. Bald darauf verunglückte er auf der Heimfahrt von Schwanenstadt. Die Pferde kamen mit leerem Wagen heim, den Bauern fand man tot am Rande des Geißlholzes.

*99. Ein Mann hackte an einem neuen Sonntag Wid. Zur Strafe wurde er mit Hacke, Hackstock und Wid in den Mond versetzt. An Vollmondabenden kann man ihn deutlich sehen.

*100. Eine Frau spann am Donnerstag nach Feierabend. Zur Strafe wurde ihr der Kopf umgedreht. Darüber gab es im Kloster Lambach ein uraltes Bild.

101. Ein Bauer mißachtete den Sonntag und einmal führte er am Sonntag Heu ein. Ein Geistlicher ging vorbei und sah ihn finster an; der Bauer aber meinte: "Meine Rosse fressen das Sonntagsheu gerade so gern wie das Wochentagsheu!" Kaum hatte er ausgeredet, da flog ein Vogel vor den Pferden auf, daß sie scheuten. Ein Hufschlag tötete den Bauern. Die Pferde rannten der Brücke zu und fielen mit dem Wagen in die hochgehenden Fluten, die Pferde ertranken, das Heu wurde weggeschwemmt.

102. Ein Bauer bei Königswiesen wollte seinen Knecht zwingen, am Karsamstag abends noch Mist auf den Acker zu führen. Als sich der Knecht weigerte, fuhr der Bauer selbst. Nach getaner Arbeit setzte er sich in die Stube, schlief aber beim Essen ein und konnte nicht geweckt werden. Die Hausleute wollten ihn in das Bett legen, sie brachten ihn aber trotz aller Anstrengung nicht von der Bank los. Sie versuchten, ihr die Füße abzuschneiden, doch rann Blut des Bauern heraus, wie wenn der Schnitt in seinen Körper gegangen wäre. Ein Priester wurde geholt und löste den Bann. Jetzt konnte man die Bank entfernen und der Bauer erwachte.

*103. An einem Samstag hatte ein Bauer beim Feierabend noch ein Paar Scheiter im Bannholz, wollte daher nicht ausspannen und fuhr um sie. Er fuhr aber im Holz, ohne sich zurecht zu finden, die ganze Nacht herum. Erst Leute, die zur Kirche gingen, zeigten ihm den Weg und er fuhr leer nach Haus. Als er mit mehreren Leuten nachschauen ging, wo er herumgefahren war, sah er, daß er durch das Dickicht, wo es ganz unmöglich war, durchgekommen war, ohne stecken geblieben zu sein. Nicht einmal der Hut war hängen geblieben.

104. Ein Tischlergeselle war recht leichtsinnig, seine besondere Leidenschaft war das Kegelscheiben, alles Zureden seiner alten Mutter half nichts. An einem Sonntag abends schob er bis in die späte Nacht. Da stand der Tod draußen bei den Kegeln. Der Bursch aber rief frevelnd aus: "Ich schieb die Kugel schon noch hinaus!" Er tat es, die Kugel flog aber zurück und erschlug ihn.

*105. Leute von der Burg Freudenstein, von der heute nur mehr wenige Steine übrig sind, tanzten am Karfreitag auf einer Wiese. Plötzlich wurde die Wiese zum Sumpf und alle versanken. Diese Sumpfwiese liegt an der Wegkreuzung Goldwörth-Ach und heißt "Tanzstatt".


Quelle: Oberösterreichisches Sagenbuch, Hg von Dr. Albert Depiny, Linz 1932, S. 153 - 158
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, März 2006.
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