II. Wundersame Geschichten.
2. Von heiligen und unheiligen Personen.
1. Christus und Petrus.

194. Als einst der Herr vorüberging, neigte sich die Esche nicht, sondern hielt ihr Haupt stolz erhoben. Deshalb schlug sie der Herr mit ewigem Zittern. Seither sagte man: Zittern wie ein Eschenlaub.

Nach einer zweiten Erzählung traf die Espe der Fluch, weil sie nicht wie die übrigen Bäume trauerte und zitterte, als Christus am Kreuz hing.

195. Die Juden zogen den Herrn Jesu Christ auf seinem Leidensweg durch den Bach. Seither hat der Hecht im Kopf die Leidens-Werkzeuge Kreuz, Leiter, Nagel, Zange, Meißel und Schwamm dargestellt.

196. Der Seidelbast war einst ein stolzer Baum. Aus seinem Holz wurde das Kreuz Christi gemacht, deshalb traf ihn der Fluch Gottes, er schwand zum Strauch, der er jetzt ist.

197. Manche Hahnenfußblätter haben an ihrer Oberfläche dunkle Flecken. Das rührt daher, daß einige Blutstropfen unseres Herrn, als er am Kreuze hing, auf die Blätter des Hahnenfußes fielen, der unter dem Marterholz stand. Daher heißt diese Pflanze auch "Christi Blutstropfen".

198. Einst hatte der Kreuzschnabel einen geraden Schnabel. Als aber der Heiland am Kreuze hing, hatte ein Kreuzschnabel solches Mitleid, daß er die Nägel aus den Händen des Heilandes ziehen wollte. Dabei verbog er sich den Schnabel. Seither haben alle Kreuzschnäbel den gekreuzten Schnabel und ihren Namen.

*199. Als Christus am Kreuze hing, setzten sich Kreuzschnabel und Gimpel auf den Kreuzbalken, um die Nägel herauszuziehen. Sie bespritzten sich dabei mit des Heilands Blut, der Kreuzschnabel verbog sich den Schnabel, der Gimpel hieb sich den Schnabel stumpf.

*200. Als Christus am Kreuze hing, trauerten alle Blumen, sie neigten ihr Haupt, schliefen aber vor Kummer und Müdigkeit ein. Nur das Nachtveilchen überwand Schwäche und Angst und duftete weiter zur Labung des sterbenden Heilands. Erst gegen Morgen überwältigte es die Müdigkeit. Seither darf das Nachtveilchen schlafen, wenn der heiße Tag drückt; es wacht aber und duftet in der kühlen Nacht.

201. Ein Hirsch trug einst Christus über ein Wasser. Zum Lohn schenkte Christus den Hirschen die Kenntnis des Kräutleins wider den Tod, daher erreichen sie, wenn sie nicht gewaltsam enden, ein sehr hohes Alter.

*202. Einem Bauer war selten die Ernte gut genug und er schimpfte immer auf den lieben Gott, daß er kein gescheiteres Wetter mache. In seinem Hause kehrte nun Jesus mit Petrus ein und fand Herberge. Als der Bauer wieder über das Wetter und den Herrgott loszog, fragte ihn Jesus, ob er sich besseres Wetter zu machen traue. Der Bauer bejahte es und der Herr gab ihm beim Abschied Gewalt über Regen und Sonnenschein. Der Bauer konnte es aber machen, wie er es wollte, das Wetter schlug dem Getreide nicht an, er hatte nicht bedacht, daß auch der Wind notwendig ist.

203. Christus und Petrus rasteten an der Salzach. St. Peter steckte seinen Wanderstab in den Boden und vergaß ihn beim Aufbruch. Der Stab trieb aus und wurde ein Lindenbaum, der wegen der merkwürdigen Gestalt seiner Krone von den Schiffern den Namen Grenadiermütze erhielt.

204. Auf seiner Wanderung kam Jesus mit Petrus durch das untere Mühlviertel. Petrus bekam Hunger und bat den Herrn um Brot. Christus vertröstete ihn auf später. Nach einer Weile bat Petrus aufs neue um Brot. Da nahm der Herr einen Stein, schnitt ihn entzwei und reichte ein Stück Petrus hin, es war zu Brot geworden. Seither heißt der Ort, wo dies geschah, der Höhenrücken zwischen Rainbach und Hörschlag, der Heiligenberg.

205. Als unser Herr mit Petrus zur Sonnenwende durchs Mühlviertel ging, schickte der Herr Petrus um Krapfen in ein Bauernhaus. Petrus bekam drei Stück, einen gab er dem Herrn, den zweiten nahm er, den dritten wollte er heimlich für sich behalten. Sie gingen durch den Wald und Petrus schritt hinter dem Herrn einher. So oft er einen Bissen in den Mund stecken wollte, hatte Christus irgend eine Frage an ihn und er warf den Brocken schnell weg, um sich nicht zu verraten. Später gingen sie denselben Weg zurück, da fiel es Petrus auf, daß in gewissen Abständen kleine gelbe Schwämme am Wege standen. Als Petrus verwundert fragte, bedeutete ihm der Herr: "Sie sind dort hervorgewachsen, wo du die Krapfenstücke hingeworfen hast!" Da sah Petrus, daß ihn der Herr durchschaut hatte, und schämte sich. Zur Erinnerung behielten aber die kleinen Eierschwämme ihre krapfengelbe Farbe.

Nach einer anderen Mühlviertler Sage schossen an den Stellen Blumen hervor.

206. Der heilige Petrus ging einmal an einem heißen Tage allein des Weges. Er begegnete einem Mann, der notwendig Geld brauchte und ihm eine Ziehharmonika zum Kauf anbot. Petrus wollte nicht, gab aber dann schließlich doch dem Drängen nach, kaufte die Harmonika und hing sie sich um. Von der Hitze ermüdet, setzte er sich unter einen schattigen Baum, unter dem gerade ein paar Zimmerleute bei der Jause saßen. Er sollte ihnen eins aufspielen und beteuerte vergeblich, daß er nicht spielen könne. Auf ihre wiederholte Nötigung wollte er ihnen mit der Erzählung antworten, wie er zur Harmonika gekommen war. Sie ließen ihn aber gar nicht ausreden, sondern verprügelten ihn tüchtig. Als nun Petrus zum Herrgott kam, verlangte er, der Herr solle zur Strafe für die Zimmerleute die Äste der Bäume zu Eisen werden lassen. "Das will ich ihnen doch nicht antun", sagte der Herrgott, "aber so hart sollen die Äste werden, daß die Hacken ausspringen, wenn sie dranhauen". So müssen noch heute die Zimmerleute die Grobheit der Zimmerleute von damals büßen.

207. Christus trug dem Hl. Petrus auf, Ameisen und Wespen zu schaffen. Der Herr sagte: "Machs inter Mittag!" Petrus verstand schlecht, getraute sich aber nicht, noch einmal zu fragen und legte sich die Worte zurecht: "Machs in der Mitt ab!" So bekamen die Tiere ihre jetzige Gestalt.

208. Der heilige Petrus, der die Himmelstür zusperrt, ging einmal auf der Erde spazieren und verlor den goldenen Himmelsschlüssel. Die Tür war zugesperrt und nun konnte niemand in den Himmel. Endlich fand Petrus den Schlüssel unter einer schönen gelben Blume, die fortan den Namen Himmelschlüssel hat.

Quelle: Oberösterreichisches Sagenbuch, Hg von Dr. Albert Depiny, Linz 1932, S. 348 - 350
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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