DAS WIENER-NEUSTÄDTER SCHLEUDERPFERD

In uralter Zeit, in der die ganze weite Umgebung von Wr.-Neustadt noch Sumpf und "Morast" war, hausten an der Stelle, wo heute der Marktplatz ist, nur zwei Familien. Diese, welche immer uneinig, miteinander "wartein" und "penzen" mußten, waren auch weit und breit gefürchtet und wenn je ein fremder Wanderer mit der "kloanen Wahr" in deren Nähe kam, so mußte er froh sein, wenn er wieder lebendigen Leibes davonziehen konnte.

Da geschah es nun einmal, daß ein Fremder auf einem schwarzen aber lahmen Rosse daherritt, um bei den "Morasthäusern" Rast zu halten, und dem geschah es so, wie allen anderen, man nahm ihm alles ab und warf ihn in den Schlamm. Als es nun zum Teilen kam, ging alles glatt ab, nur wegen des schwarzen Rosses konnten die Frevler nicht einig werden. Sie zerrten das lahme Tier von dem einem Hause zum anderen und so hin und her, und da geschah es nun, daß das schwarze, lahme Roß als es gerade zwischen den zwei Häusern zu stehen kam, auf einmal nach hinten und vorne gewaltig ausschlug, immer größer wurde und die zwei streitbaren Häuser mit allem, was "dran" und "drum" war, weitaus in die Luft schleuderte.


Quelle: Carl Calliano, Niederösterreichischer Sagenschatz, Wien 1924, Band I, S. 38