DIE PRANGERHÜTTE IN BADEN

In Baden lebte einst ein Hauer, dessen Frau es mit der ehelichen Treue nicht genau nahm. Darüber kränkte sich der Mann sehr und die Nachbarn schimpften über das liederliche Weib. Da geschah es, daß der Mann, als er "von der Schanzarbeit aus Wienerisch Neustadt" zurückkam, in seinem Hause am "Stechplatz" seine Frau mit einem Manne fand. Darüber fürchterlich erbost, beschmierte er die pflichtvergessene Frau mit Wagenfett und sperrte sie in eine leere Kammer ein, welche ein vergittertes Fenster hatte. So mußte das Weib in dem Gefängnis bleiben und der Mann holte "den ganzen Hauptplatz zusammen" und zeigte den erstaunten Mitbürgern den federlosen Vogel, den er in seinem Hause erwischt hatte. Und man gab ihm allseits recht, daß er sich selbst den Richter machte und das Weib an den Pranger stellte.


Quelle: Carl Calliano, Niederösterreichischer Sagenschatz, Wien 1924, Band I, S. 34