DER PFENNIGSTEIN AM KLEINEN ANNINGER
Ein früherer Besitzer der Mödlinger Burg besaß ein holdes, treues Weib. Von ihren Reizen geblendet, betrog aber ein falscher Freund den Gatten um das seltene Kleinod. Der Giftstrahl der Eifersucht, listig erregt, zerstörte gar bald das süße Gattenglück. Von dem Schändlichen betört, hielt der verblendete Gatte den warmen Kuß des Weibes auf ein listig unterschobenes Bild ihres teuren Mannes für die Begünstigung eines Buhlen. Alle Beteuerungen der Unschuld ungeachtet, ließ er die Unglückliche in den tiefsten Kerker werfen und seine Leidenschaft in Wein ertränkend, rief er aus: "Für einen Pfennig sei sein Weib jedwedem feil", und schnell war der schurkische Freund des Kaufes quitt. Durch eines Knechtes Treue war aber die Schuldlose ins Freie, in die Felsenhöhle des Pfennig-Steins, gerettet und- durch des Hörigen treue Sorge wurde sie, wenn auch kärglich, mit Speise und Trank versehen. Dies währte ein halbes Jahr. Gram und Entbehrung hatten indessen die blühende Gestalt der Verstoßenen entstellt. Da verirren sich einmal, von plötzlichem Gewitter überrascht, der Mödlinger und sein Freundschaft lügender Genösse, der von einem Blitze geblendet, mit dem Rosse über eine Höhe stürzt, tödlich verwundet. Da, auf das Wimmern des Todesröchelnden, auf die Klagen seines Gefährten nahet sich, trostverheißend, eine bleiche, geisterähnliche Gestalt - die unglückliche Verkannte. Die sterbenden Lippen des Bösewichtes, ein schrecklich mahnendes Trugbild vor sich glaubend, bekennen das Bubenstück und im seligen Wiedervereine feierten die Gatten ein langes ungetrübtes Glück; doch erbauten sie am Pfennigsteine zum Andenken der wundersamen Fügung ein Kloster, von dem nun längst die letzte Spur verschwunden.
Quelle: Carl Calliano, Niederösterreichischer
Sagenschatz, Wien 1924, Band I, S. 35