KULTPLATZ KARLSTISCH

Die Burganlage "Veste Rohr", an die in Baden die Flurnamen "Vestenrohr" und "Halsriegel", die Rohrgasse und die Sage "Die drei Lilien in Sooß" erinnern, dürfte um 1050 (Dehio: 1180) errichtet worden sein.

Hausberganlage Veste Rohr (Vestenrohr)
heute Rohrgasse in Baden
© Harald Hartmann, 2. Juni 2005

Erstmalig genannt wird die Burg Rohr in einer undatierten Urkunde des Markgrafen Ernst von Österreich (1055 - 1075).

Es handelte sich um eine kleine Hausberganlage mit polygonaler Umfassungsmauer, Fundamente eines Turmes und einer Kapelle wurden im Jahr 2000 nachgewiesen.

Von der Ruine sind keine sichtbaren Spuren erhalten bis auf den sagenumwobenen "Karlstisch", der sich inmitten der Leesdorfer Weingärten befindet.

Karlstisch © Harald Hartmann

Karlstisch
© Harald Hartmann, 2. Juni 2005

Der Name "Karlstisch" nimmt Bezug auf die Sage, die besagt, daß bereits der Frankenkaiser Karl der Große im Zuge seines Vernichtungskrieges gegen die Awaren im Jahre 796 an dieser Stelle absitzen ließ und hier Gericht hielt.

Karlstisch © Harald Hartmann

Karlstisch
© Harald Hartmann, 2. Juni 2005

Ortsansässige berichten von flackernden Lichtern, die sich zu bestimmten Zeiten über den feuchten Wiesengrund bewegen, oder von Stimmen, die sie zu hören glauben.

Bis zum Jahr 1839 wurde an jedem Todestag des legendären Herrschers (dem 28. Jänner 814) in der Nähe des Tisches eine Art Prozession durchgeführt. Erst nach dem plötzlichen, rätselhaften Tod zweier Männer, die im berauschten Zustand die Steinplatte vom Sockel gestoßen hatten, stellte man diesen Brauch aus Angst vor dem Unerklärbaren ein.

Karlstisch © Harald Hartmann

Karlstisch
© Harald Hartmann, 2. Juni 2005

Am Abend des 7. Februar 1923 geschah folgendes:

Zwei Winzer, die ihre Weingärten in der Nähe des Fieberkreuzes am Hartberg hatten und den ganzen Tag über mit dem Rebschnitt beschäftigt gewesen waren, gingen zu später Stunde entlang der alten Weinstöcke, etwa dort, wo sich heute der Güterweg am Gaisbühel befindet, in Richtung ihrer Höfe. Da sie den Verlauf des geschotterten Weges seit ihrer Jugend bestens kannten, war es ihnen daher auch gleichgültig, daß sie ohne Licht unterwegs waren - obwohl bereits Dunkelheit herrschte und Nebelschwaden in Bodennähe über das Land zogen. Es muß am Beginn der heutigen Rohrgasse gewesen sein, als sie in der Nähe des Karlstisches schemenhafte Gestalten zu erkennen glaubten. Ohne sich ihrer verlangsamten Bewegung bewußt zu sein, konzentrierten sie ihre Sinne auf eine Szene, die sich später unauslöschbar in ihrem Geist festsetzen sollte. Ihre an die Dunkelheit gewöhnten Augen erkannten eindeutig vier unbekannte Personen, die an dem Steintisch saßen und sie unbeweglich anblickten. Vier Personen, die sie zwar als solche wahrnahmen, deren Anblick sie aber in eine derartige Unruhe versetzte, daß sie unfähig waren, sich von der Stelle zu rühren. In dieser Phase des Erstarrens konnten die beiden Landwirte jede Einzelheit der ebenso unbeweglichen Wesen wahrnehmen. Es war, als hätten sie die Schwelle zu einer anderen Welt überschritten. Da sich das Erscheinungsbild der Gestalten ihnen gegenüber von der Umgebung nur schwach abhob, traten die beiden Winzer schließlich näher, um den unheimlichen Anblick deutlicher ausmachen zu können - doch nun verschwand das mystische Phänomen.

Lange Zeit sprachen die beiden kein Wort über das Erlebte - erst nach Monaten fühlten sich die Männer imstande, über dieses seltsame Ereignis zu berichten.

Seit diesem Vorfall wurde die Gegend um den Karlstisch von den Einwohnern des Ortes nach Möglichkeit gemieden.

Karlstisch © Harald Hartmann

Karlstisch
© Harald Hartmann, 2. Juni 2005

In den folgenden Jahren soll es an dieser Stelle noch mehrmals zu unerklärbaren Erscheinungen gekommen sein.

Karlstisch © Harald Hartmann

Karlstisch
© Harald Hartmann, 2. Juni 2005

Aufgemalter Karlstisch beim Buschenschank Weinbau Breyer, dem Grundstückseigentümers beim Karlstisch, ein Fassboden mit dem aufgemalten Karlstisch an der Hauswand.

Maulbeerbaum in Baden © Harald Hartmann

Maulbeerbaum in Baden
© Harald Hartmann, 2. Juni 2005


Quelle: Dehio Niederösterreich, Südlich der Donau, Teil 1, Wien 2003, S. 167.
Robert Bouchal, Wolfgang Kalchhauser, Mystischer Wienerwald, Sagen, Geschichten, Authentische Fälle. Wien 1999, S. 41 - 43.