DIE GEISTERLIEBE ZU RAUHENECK

Am Ufer der Schwechat, unterhalb Rauheneck hatte sich eines Abends ein Mädchen mit Waschen im Mondschein so lange verweilt, bis die Mitternachtsstunde kam. Da sah sie plötzlich eine mit weißer Rüstung bekleidete, blutige männliche Gestalt auf- und niederwandeln und die Hände ringend, zum Felsennest emporschauen. Mit einem Male leuchtete es oben auf der luftigen Zinne der Veste und es neigte sich und beugte sich und eine lichte weibliche Gestalt flog wie mit Schwanenflügeln vom Turme nieder in die ausgebreiteten Arme des Geistes, und mit einem langen Seufzer versanken beide verschlungen in den Wellen des Baches.


Quelle: Carl Calliano, Niederösterreichischer Sagenschatz, Wien 1924, S. 6