4. Die feurigen Männer.

Ihnen ist wohl schon mancher Marchfeldbauer begegnet, wenn er nach Sonnenuntergang sein Gespann heimwärts lenkt.

Plötzlich fangen die Pferde zu schwitzen an, martern sich ab, wiewohl der Wagen ebenso leer ist wie zuvor. Schuld daran sind die feurigen Männer, die sich auf die Langwied setzen. Fangt der Fuhrmann zu beten an, um den Gespensterspuk zu vertreiben, so wird es nur ärger. Denn es kommen immer mehr Feuermänner aus den Fluren und setzen sich auf. Sie hoffen, durch das Gebet Erlösung zu finden. Sie sind ja die armen Seelen der Grenzverrücker, welche nachts am Ort ihres Unrechtes spuken müssen.

Ein Fluchwort aus dem Munde des Bauern schüttelt die ungebetenen Gaste und die unwillkommene Last jählings ab.

Einmal ist es geschehen, dass "’s feurichi Mandl" bei jedem "Vaterunser" des Bauern diesem naher rückte. Als das feurige Gespenst schon hart am Leibe des Bauern war, da betete dieser in höchster Inbrunst. Da hörte er neben sich eine erregte, tiefe Stimme sagen: "Das Vaterunser ist viel mehr wert als alle anderen zusammen. Das hat mich erlöst." Und wie wenn nichts geschehen wäre, fuhr der Wagen flott heim. Das "feurichi Mandl" aber war verschwunden.

Edgar Weyrich, Der politische Bezirk Floridsdorf-Umgebung. Wien-Leipzig-New York 1924, S. 110;

Quelle: Sagen, Schwänke und andere Volkserzählungen aus dem Bezirk Gänserndorf. Hans Hörler, Heinrich Bolek, Gesammelt von der Lehrerschaft des Bezirkes Gänserndorf 1951. Neuauflage 1967.
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