DIE GRÜNDUNG VON STIFT ZWETTL

Dieses österreichische Clara-Vall oder Zwettl ist erstens durch Hadmar von Kuenring, Ministerialen Österreichs, unter Heranziehung der ersten Kolonie von Heiligenkreuz Anno 1138 gestiftet, der Ort hierzu aber im folgenden Jahr 1139 auf wunderbare Weise von der Himmelskönigin selbst angezeigt worden. Denn als besagter Hadmar in bekümmerten Gedanken stand, wo er nämlich einen nach dem Stil der Zisterzienser bequemen Ort zum neuen Klosterbau finden möchte, erschien ihm in solchem tiefen Nachsinnen am Fest des heiligen Silvester in der Nacht die Mutter Gottes, die er schon zuvor, weil er wegen des mit seiner Ehegemahlin Gertraud getanen Keuschheitsgelübdes kinderlos war, zur Erbin seiner Güter eingesetzt hatte. Sie befahl ihm, er solle mit Hermann, dem ersten Abt, sich in den nächsten Wald verfügen und an dem Orte, wo sie einen grünen und zugleich fruchttragenden Baum finden würden, das neue Kloster anlegen. Der fromme Gründer erzählte folgenden Tages diese Vision dem erwähnten Abt Hermann, welcher sich hierüber nicht wenig freute und meldete, daß er selbst in seiner nach der Mette gehaltenen Meditation, eben am Neujahrstag Anno 1139, eine gleichartige Erscheinung gehabt hätte.

Sie ritten noch am selben Tag gegen den Kampfluß in den Wald und fanden endlich nach langem Umherreiten unter den mit Schnee durchgehend bedeckten und vom Laub gänzlich entblößten Bäumen einen schönen, grünen und fruchttragenden Eichenbaum, dessen Wipfel einem Kreuz zu gleichen schien. Woselbst sie mit herzlichem Vergnügen sofort nach der nötigen Rodung das Kloster und die Kirche zu bauen angefangen und den hohen Altar zum ewigen Andenken an diese wunderbare Begebenheit eben an denselben Platz gesetzt haben, wo der grünende Eichenbaum gestanden. Der Stifter soll hernach dem neuen Stift so viel des umliegenden Grundes gewidmet haben, wie er in Begleitung des Abtes Hermann in einem Tag umreiten konnte.


Quelle: Verteutschtes Cistercium Bis-Tertium ... Prag 1708