Das "goldene Steig-Läuten" und die Wag-Au
In allen Zeiten war nach der Volksmeinung das Donautal unterhalb von St. Michael mit dichten Auwäldern bedeckt. Es bedeutete geradezu ein Wagnis, das ganz weglose, von vielen Sümpfen und Donauarmen erfüllte Gebiet zu durchwandern und darum bekam es den Namen Wag-Au, woraus dann "Wachau" wurde. Es verirrten sich daher auch viele Wanderer, insbesondere Handwerksburschen. Manche blieben in den Morästen ganz stecken. Um diesem Uebel ein Ende zu machen, stiftete eine Gräfin für das Gotteshaus von Weihenkirchen eine Glocke, die vom Michaelstag (29. September) bis zum 19. März jeden Abend um 8 Uhr geläutet werden mußte. Verirrte Wanderer konnten ihrem Klange nachgehen und entrannen der Gefahr. Dieses Läuten wurde das "goldene Steig-Läuten" genannt und hielt sich bis in die Zeiten des Weltkrieges.
Für die Entstehung jenes altehrwürdigen Brauches wird noch
eine zweite Erklärung gegeben. Einmal haben sich auf dem Wege van
Dürnstein herauf in der Auwildnis einige Leute verirrt und machten
das Gelübde, wenn sie einen Ausweg fanden, im Pfarrhofe eine große
Geldspende zu hinterlegen. Die Verirrten kamen glücklich nach Weißenkirchen
und verwirklichten ihr Vorhaben, sie bestimmten, daß die Stiftung
dazu verwendet werde, jeden Tag bei Eintritt der Finsternis eine Glocke
zu läuten, damit sich auf Irrwege geratene Wunderer wieder zurecht
finden. Der Mesner sollte hiefür täglich 4 Kreuzer bekommen.
Weil das gestiftete Geld nicht reichte, den Betrag zu "valorisieren",
hörte dieses Abendläuten vor einigen Jahren auf.
Quelle: Sagen der Wachau, Hans Plöckinger, Krems a. D. 1926, Nr. 55, S. 64f