Die Geisterschiffe
In schöner Nacht fuhr vor Zeilen ein aller Fischer von Melk in seiner Zille die Donau hinab und nickte bei der ruhigen Fahrt sogar ein. Plötzlich weckte ihn ein heftiger Sturmwind, rasch ruderte er zu einer Insel und setzte sich unter eine starke Weide, da ein großes Gewitter heranzuziehen schien. Dieses blieb aber aus, doch der Sturm wurde trotzdem immer ärger. Auf einmal gewahrte der Greis gegen Aggsbach zu aus dem Wasser ein ungeheures Schiff, das fast bis zum Himmel emporreichte. Heller Lichtschein leuchtete aus seinen Lucken und aus den Spitzen der Mastbäume sprangen grelle Blitze in die dunkle Nacht. Hinter diesem Fahrzeuge sah der höchst erstaunte Fischer eine ganze Reihe anderer folgen, die anscheinend noch größer waren. Sie kamen mit unheimlicher Schnelle stromaufwärts gefahren, Blitze und Donner dröhnten unaufhörlich. Wild schäumten die Wellen auf, sodaß sich der Alte auf der Insel schon für verloren hielt. Wüster Lärm tönte ihm von den Schiffen selbst entgegen, welche unter furchtbarem Getöse an ihm vorbei sausten. Als das letzte Fahrzeug kam, erfolgte ein schauerlicher Krach und hell loderte ein Baum neben dem Fischer empor. Vom Feuer geblendet, stieß dieser einen Schrei aus und siel leblos zu Boden. Als er wieder aus seiner Betäubung erwacht war, sah er vor Melk das Wasser furchtbar aufwirbeln, ein schrecklicher Abgrund öffnete sich im Strome, der den ganzen gespensterhaften Schiffszug verschlang. Darauf legte sich der Sturm und auf der Donau wurde es wieder still und ruhig. Der Fischer wagte aber erst am Morgen die Heimkehr. Der erlittene Schreck hat den Armen so hergenommen, daß er bald darauf starb.
Von einem gespenstigen Schiffszuge wird auch sonst in der Wachau erzählt.
Wenn in der Nacht ein Gewittersturm braust, hört man das Halloh der
Schifssknechte und das Getrappel der Pferde.
Quelle: Sagen der Wachau, Hans Plöckinger, Krems a. D. 1926, Nr. 16, S. 25f