Wie Luitpold die Ostmark gewann.

Seit langen Jahren hatte sich das Geschlecht der Babenberger, so sich nach etlichen Forschern von der fränkischen Stadt Bamberg herschreibt, dem sächsischen Königshause ergeben erwiesen, so daß König Heinrich der Erste, ihn zu ehren, dem Babenberger Heinrich seine Schwester vermählte und das Geschlecht so durch königliche Verwandtschaft zierte.

Der Ehe entsprossen zwei Söhne, Luitpold und Berthold, die von des Königs Sohn und Nachfolger Otto, zubenannt der Große, sich vielfacher Gunst erfreuten.

Große Dienste leisteten die beiden Brüder dem Zweiten Otto, so von 973 - 983 Königs- und Kaiserskrone trug, im Kampfe gegen den aufrührerischen Bayernherzog Heinrich den Zänker, und ist die Niederlegung des gefährlichen Aufstandes nicht wenig der Beihilfe der beiden Babenberger zu verdanken.

Zum Lohne belehnte der Kaiser den Grafen Berthold mit Böhmen und hielt dessen Bruder Luitpold dermaßen lieb und wert, daß er ihn gar oft seines näheren Umganges würdigte. Nahm ihn auch, da ihn einmals die Jagdlust anwandelte, als einzigen Begleiter in den Tann, auf daß er in kühnem Abenteuer etwa einen Bären oder einen Eber erlegen möchte. Also ritten sie frohen Mutes, von zwei Bracken gefolgt, durch den kühlen Wald, sich der gesunden Luft ergötzend und in jagdlichem Schweigen nach Wild spähend. Da brach plötzlich aus sumpfigem Grunde ein Wilder Keiler, den der Pferde Gestampf geärgert haben mochte, hervor und stürmte mit feurigen Äugen in wildem Grimme gegen den Kaiser an.

Augenblicks schwingt sich Otto von dem aufbäumenden Pferde und schleudert den Ger mit aller Kraft gegen das wütende Tier. Doch ach ... der Stoß geht fehl, die Wucht des Wurfes läßt den Herrn straucheln, und es wäre sein letztes Stündlein gewesen, hätten sich die von Luitpold von der Koppel gelösten Bracken nicht in des rasenden Ungetümes blutende Flanken verbissen. Und ohne Besinnen stürzt sich Graf 'Luitpold auf den im Kampfe sich wälzenden Knäuel, zuckt den blitzenden Fänger und senkt ihn bis zum Heft in des Ebers borstiges Genick ... Gott sei Dank, der Kaiser ist gerettet!

Tief aufatmend erhob sich Otto, sandte einen Dankesblick gen Himmel und reichte seinem Vetter über des Wildes Leiche die Rechte:

"Graf Luitpold, wackerer Weidgeselle, Euch schulde ich Leib und Leben. Sagt an, womit kann ich Euch lohnen? Wonach steht Euer Begehr? Es soll Euch werden, und wäre es meines Reiches die Hälfte."

Da neigte sich Luitpold bescheidentlich und erwiderte: "Mein Herr und Kaiser, nicht nach Euerm Reiche ist mein Begehr; so Ihr aber die Ostmark mir in Gnaden wollt verleihen, so wisset, Ihr findet keinen besseren Hüter des Grenzlandes gegen die wilden Ungarn."

Lächelnd entgegnete der Kaiser: "Euer Wunsch' sei Euch gewährt, viellieber Markgraf! Doch tadle ich Eure Genügsamkeit-, denn Ihr wißt ja selbsten, im Osterland sitzt der Hungar und auf der Isenburg, der starken Beste, trotzt König Gizzo, den sie auch Geisa nennen, jeglichem Ansturm."

Hocherfreut schwang Luitpold seinen Jagdhelm in die Luft: "Hejo, was mein nun ward durch Kaisers Huld, das soll mir und meinem Geschlechte werden durch mein gutes Schwert! Nicht fürchte ich der Ungarn, nicht der Slawen und der Wenden räuberische Horden, nicht rasten will ich, bis die Mark des Feindes ledig und deutsches Blut sich siedelt in den Gauen, die mir durch Euere Gnade geworden.

So ward Luitpold, wie die Sage meldet, Herr der Ostmark, und ward damit der Keim zum Kaisertume Österreich in jungfräuliche, lebenskräftige Erde gelegt.

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Eine Abart der Sage berichtet, der Kaiser sei nicht mit dem Ger zur Jagd geritten, sondern habe das aufstoßende Gewilde mit der Armbrust zu erlegen gedacht.

Plötzlich brach ein greulicher Bär, deren in allen Zeiten auch die Wachau keinen Mangel litt, aus dem Tann hervor und stürzte sich mit Gebrumme auf den Herrscher, bereit, ihn in tödlicher Umarmung zu ersticken. Eiligst spannte Otto den Bogen ...in der Erregung aber zu stark, so daß die Sehne zerbrach und der kaiserliche Jagdherr dem anstürmenden Untier schutzlos preisgegeben war. Da ... im Augenblick der höchsten Not ... eilte Luitpold, seines Lebens nicht achtend, herbei und reichte dem gefährdeten Herrn seinen eigenen gespannten Bogen, womit dieser das Waldtier erlegte.

Quelle: Wachausagen, Erzählt und allen Freunden der goldenen Wachau gewidmet von Josef Wichner. Krems an der Donau. [1920]. S. 18 - 21.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Lisa Lemberg, Jänner 2005.