Erinnerungen an die Türkenzeit

Die Jahre 1529, 1532 und 1683 brachten für den Bezirk Amstetten durch die Türkeneinfälle viel Elend und Leid. Zur türkischen Kriegführung gehörte es, schnelle Reitertruppen, wie die Akindschi, zur Verbreitung von Schaden und Schrecken weithin auszusenden. Diese wilden Horden durchstreiften das ganze Bezirksgebiet und mancherorts künden uns heute noch stumme Zeugen von den damaligen Erlebnissen. Außer dem uns schon bekannten Ludwigsdorfer Türkenkreuz und einem am Fuße des Öhlinger Kirchenberges gelegenen Bildstock, der die Gefangennahme der Müllerin darstellt, ist ein in der Sakristei der Strengberger Kirche aufbewahrtes, im Jahre 1710 gemaltes Bild eine köstliche Erinnerung an die Türkenzeit, das in lebhafter Darstellung die über den Strengberger Friedhof flüchtenden und bei der durchgeschlagenen Kirchentüre herauskriechenden Türken zeigt. Die in der damaligen Schreibweise wiedergegebene Bildinschrift möge uns das Strengberger Türkenabenteuer erzählen: "Als die Türken im Jahre 1529 die Hauptstadt Wien belagerten und anbei viele Ortschaften bis an den Ennsfluss mit rauben und plündern durchstreiften, kamen sie auch nach Stremberg, machten durch aushauen eines Mittlstückes der Kirchentüre, wovon das Merkmal noch heutigen Tages zu ersehen ist, eine Öffnung und drangen in die Kirche ein, um selbe zu berauben. Aber wunderbarlich ist der Schutz des Allmächtigen, plötzlich ist die Turmuhr von selbsten abgeloffen und dieses Geraßl hielten die Türken für eine daselbst versteckte Gegenwehr, aus Furcht und Schrecken drangen sie bei der gemachten Öffnung wieder heraus und begaben sich ohne Beschädigung der Kirche und des Ortes in die Flucht." - An einem Baume auf dem Wege vom Schloss Seisenegg zu den Seisenegger Sandgruben hängt ein Bild, das an folgende Begebenheit erinnert: Als die Türken in der Gegend von Seisenegg umherschweiften hörte der Torwächter des Schlosses in der nächsten Nähe ein furchtbares Getöse und sah schon eine größere Reiterschar sich dem Schloss nähern. Der sofort verständigte Schlossherr machte mit seinen Leuten einen kühnen Ausfall und vertrieb die Türken. Einige von diesen flohen in die nächst dem Schlosse Seisenegg in einer romantischen, engen Waldschlucht gelegenen Sandhöhlen. Die Frau des Torwächters fühlte sich in ihrer Wohnung trotz des geglückten Handstreiches nicht sicher und wollte sich in den Sandgruben verstecken. Dort wurde sie aber von den versprengten Türken überfallen und erschlagen. - Im Jahre 1683 überfiel eine türkische Streifschar den Gstadtmeierhof in Allersdorf bei St. Georgen am Ybbsfeld. Als sich die Bäuerin vor der Gefangennahme wehren wollte, wurde sie von den Türken enthauptet. Der alte Bildstock, der diese schauerliche Tat überliefert, war im Laufe der Zeit schon ganz verwittert, er wurde im Jahre 1951 mit Bewilligung des Bundesdenkmalamtes erneuert und auf dem Kirchenplatz von St. Georgen am Ybbsfeld in die Friedhofsmauer unter einem kleinen Dach neu eingemauert. - Als im Jahre 1532 die türkischen Reiterscharen durch das Ybbstal ritten, vermuteten sie in der weithin sichtbaren Sonntagberger Kirche eine reiche Beute und sprengten mit ihren ausdauernden Pferden über die steilen Hänge des Sonntagberges. Die Kirche war überfüllt mit Flüchtlingen aus der ganzen Umgebung. Keiner von diesen wagte eine Gegenwehr. Doch ein Wunder rettete die Verzagten. Als nämlich die Türken bis auf etwa 1000 Schritte an die Kirche herangekommen waren, bäumten sich plötzlich die Pferde wild auf und sanken zitternd in die Knie. Da half kein Schlagen und Anspornen, die Türkenpferde konnten keinen Schritt vorwärts. Da erfasste den Reiterhaufen wilder Graus, und wie von Gespenstern gehetzt, rasten sie zurück ins Tal. An dieser Stelle wurde der Türkenbrunnen erbaut, der heute noch die Legende von der Türkenvertreibung fortleben lässt. - Das stolzeste Erinnerungszeichen an die Türkenzeit ist wohl der mächtige Stadtturm von Waidhofen a. d. Ybbs mit dem zwiebelförmigen Haupt, der zierlichen Laterne und den vier kleinen runden Ecktürmchen. Bekanntlich schlugen die Waidhofner Bürger und Schmiede vom 8. September, Schlag dreiviertel auf zwölf, bis zum 10. September 1532 die Türken in mehreren Gefechten auf der Kreilhofer Wiese beinahe vollständig und erbauten zur Erinnerung an diesen Sieg den stolzen Stadtturm, auf dessen Spitze sich noch heute der Stern über dem liegenden Halbmond erhebt. Aus jenen Tagen stammt auch noch der Brauch der Waidhofner Schmiede, an ihrem Jahrtag mit Trommeln und Pfeifen zur Kirche zu ziehen. Bei der 400-Jahr-Feier im Jahre 1932 versah man den Waidhofner Stadtturm für die kommenden Geschlechter mit folgender Inschrift: "Im Jahre 1532 schlugen Bürger, Schmiede und Bauern die Türken in die Flucht und erbauten zur Erinnerung diesen Turm." Noch immer zeigt das westliche Zifferblatt des Waidhofner Stadtturmes auf dreiviertel zwölf, also auf die Zeit des Aufrufes zur Türkenabwehr. (Adl.)

Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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