Der Mühlstein in der Kirchenmauer von Biberbach

Der Sage nach soll einst ein Bauer aus Biberbach auf dem Platze, wo jetzt die Kirche steht, zu einem ortsansässigen Müller gesagt haben, in Kürze werde man auf dieser Stelle eine Kirche sehen. Darauf antwortete der Müller, dies werde so wenig der Fall sein, als sein Mühlstein hieher kommen könne. Allein am folgenden Morgen sah man zur allgemeinen Verwunderung den betreffenden Mühlstein an der Stelle, wo der fromme Bauer die Kirche gesehen haben wollte.

Zu dieser Sage gibt nämlich ein Mühlstein Anlaß, der in der Höhe eines halben Meters an der Südseite der Kirchenmauer in Biberbach eingemauert ist. Indessen kann dieser Stein auch eine andere Bedeutung haben, da nebenan in gleicher Höhe eine rote Marmorplatte mit folgender Inschrift angebracht ist:
"Hier liegen begraben 43 Person, so vom Türken sind erschlagen worden aus dieser Pfarr, den Gott ewiglich durch das Leiden jesu christi genadt. Anno christi 1529."

Wahrscheinlich ging diese Niedermetzlung bei der eine Viertelstunde von Biberbach entfernten Kumpfmühle vor sich, und man brachte, um den Ort dieser blutigen Tat dadurch im Gedächtnis der Nachkommen anzudeuten und zu bewahren, den Mühlstein neben das Grabmal der Ermordeten in der Kirchenmauer von Biberbach an. Heute nisten friedlich die Spatzen im Achsenloch des Mühlsteines, und nur die Marmorplatte mahnt an das entsetzliche Blutbad im kleinen Orte Biberbach, dessen Bevölkerung im Unglücksjahre 1529 fast ausgerottet wurde. (Nach Schadauer, Schnaubelt und Schwetter.)

Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952, S. 78
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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