DER ABSTURZ DES DOBRATSCH
Dobratsch © Karin Priller

Dobratsch
© Karin Priller, Email-Zusendung 6. Dezember 2005

Bevor das furchtbare Erdbeben des Jahres 1348 den Dobratsch wanken machte, so daß er zur Hälfte abstürzte und viele Ortschaften verschüttete, soll sich Folgendes zugetragen haben: Am Tage Pauli Bekehrung hörte man bei Roggau an der Gail eine starke Stimme:

"Peter, schleif dein Schwert.
Schneid weg den halben Berg!
Maria Magdalen laß stehn.
Das andere laß gehn!"

Petrus antwortete: "Ich kann nicht, es stehen noch drei Säulen." Gott sprach: "So laß halt die Säulen stehen!" Darauf folgte der Krach, der Berg spaltete sich in der Mitte, seine südliche Hälfte stürzte ins Gailtal hinab und verschüttete den Fluß und die Dörfer.

Als die drei Säulen werden genannt: Zuerst eine Kapelle bei Neuhaus; dann ein Bauernhaus auf der Schutt. Hier war, so erzählt man, die fromme Bäuerin mit einem Mädchen allein zu Hause und gerade mit Brotbacken beschäftigt. Sie nahm das Brot vom Ofen und schickte das Mädchen in den Hof, um Schaten (Holzspäne) für das Feuer zu holen. Das Mädchen kam ohne Holz zurück und sagte: "Ich kann keine Schaten klauben, es ist alles voll weißer Tauben." Die Bäuerin und das Mädchen knieten sogleich zum Gebete nieder. Bald darauf hörten sie den furchtbaren Krach des Bergsturzes, ihnen aber geschah nichts. Das dritte, das vom Erdbeben verschont blieb, war die Kirche zu Siebenbrünn. In diese hatten sich die Schafe von der Weide geflüchtet. Die Spuren ihrer Füße sind noch heute in der Kirche zu sehen. Siebenbrünn aber heißt diese, weil alles ringsherum verschüttet wurde. Nur unterhalb der Kirche kommt von sieben Quellen Wasser hervor.

Weiter erzählen die Leute, daß die Pfarrkirche von Villach während des Gottesdienstes eingestürzt sei. Auf dem Kirchturm war ein Engel angebracht. Dieser fiel in der Italienerstraße an der Stelle nieder, wo heute noch ein Gasthaus zum „Engelwirt" heißt. Auch wird erzählt, daß man noch drei Tage nach dem Erdbeben aus der Tiefe des Bodens herauf einen Hahn habe krähen hören.


Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten. — 6. Auflage, Graz 1944