Wie das Eichenlaub seine Schlitze bekam

Es betrug sich im Sommer des Jahres 1340, als es im Kärntnerland eine kleine Eiszeit gab. Im Juli dieses Jahres lag noch beinahe überall im Lande Schnee und die Bauern konnten kein Heu für die Tiere und auch kein Getreide ernten. Demzufolge entstand eine große Hungersnot, und besonders schlimm war es in den Bergen, in denen auch sonst, bei gutem Wetter, keine besonders gute Ernte möglich war. Die Bauern hatten schon ein Jahr zuvor, im Sommer 1339, eine schlimme Heuschreckenplage zu überwinden, die auch beinahe die ganze Getreideernte dahinraffte.

Kirche in Lamm auf der Saualm © Martin Josef Schöffmann

Kirche in Lamm auf der Saualm
© Martin Josef Schöffmann

Ganz schlimm ging es auch dem Sumperbauer auf der Saualm. Er hatte durch die Heuschrecken sein ganzes Geld für Heu und Lebensmittel aus der Stadt Wolfsberg ausgeben müssen, um Mensch und Tier über den Winter zu bringen. Und nun, als der Winter nicht weicht, ist wieder große Not am Sumperhof. Nur ist es diesmal so, dass kein Geld mehr da ist, um Lebensmittel und Futter zu kaufen.

Der Bauer weiß sich keinen Rat mehr, als laut den Teufel anzurufen, dass dieser ihm das nötige Geld borge. Und siehe da, schon am nächsten Morgen, als der Bauer gerade in den nahen Wald geht, um Moos von den Bäumen zu kratzen, damit die Rinder wenigstens etwas in den Bauch kriegen, steht auf einmal der wahrhaftige Satan vor ihm und bietet ihm auch sogleich ein Geschäft an: „Sumperbauer!“ ruft der Wahrhaftige, „bist du der Sumperbauer?“ „Ja!“, antwortet dieser, „wer bist du, der da ruft?“ „Ich bin der, den du um Hilfe anflehtest!“ „Und du kannst mir helfen, dass meine Leut´ und das Vieh das Jahr übersteh´n?“, fragt der Bauer. Der Teufel aber sagt: „Ich werde dir so viel Geld geben, wie du möchtest, du musst mit mir aber einen Handel abschließen!“ „Welchen Handel?“ „Sag mir, bis wann ich mein Geld wiederkriegen soll!“ Der Bauer überlegt kurz und sagt dann zum Bösen: „Herr aus der Hölle, du kriegst dein gesamtes Geld samt Zinsen an dem Tag zurück, an dem die Eiche, die du dort am Hügel siehst, ohne Laub dastehen wird!“ Der Satan entgegnet: „ Gut, aber wenn du dann das Geld nicht hast, gehört deine Seele am Tag deines Todes mir und ich kann über sie nach meinem Gutdünken verfügen!“ „Gut“, sagt der Bauer, „so soll es denn sein“, und die Beiden machen einen Vertrag und besiegeln diesen mit einem Tropfen Blut.

Der Sumperbauer ging seines Weges, sammelte das Moos und füllte seine Bucklkraxn voll an; wieder daheim angelangt fütterte er dann das Vieh. Den ganzen Tag über hackte er dann Brennholz und wartete sehnsüchtig auf den Herrn über die Unterwelt. Als dieser aber auch bis am späten Abend nicht kam, legte sich der Bauer nieder und träumte schön, was er mit dem Geld alles machen wird können; genug zu Essen für Mensch und Tier, neue Kleider, vielleicht das schon sehr alte Strohdach neu decken, alle möglichen Dinge träumte er noch während er schlief.

Am kommenden Morgen stand der Bauer auf und sah aus dem Fenster. Es schneite – im Juli – und am Hügel, unter dem Eichenbaum sah er einen Sack liegen. Schnell lief der Sumperbauer dorthin und siehe da, der ganze Sack voller Gold! Jetzt wird alles gut! , dachte sich der Bauer und machte sich auch gleich mit Ochs und Garling auf nach Wolfsberg, um die erste Furda Heu und Lebensmittel für die Familie zu holen. Das war ein langer Weg von Lamm nach Wolfsberg und der Bauer kam auch erst nach mehreren Tagen wieder heim. Alle freuten sich, obwohl keiner wusste, wie der Bauer das alles kriegen konnte, dennoch, es gab ein Fest und alle hatten genug zu essen, die Kinder kriegten sogar Spielzeug aus der Stadt!

Der Schnee ging dann langsam weg und im September wurde es sogar wieder warm. Zu ernten gab es dieses Jahr zwar nichts, aber immerhin konnte noch etwas Gras auf den Weiden wachsen, so konnten auch Pferd und Ochs noch auf der Heide weiden. Es wurde Herbst, und es wurde Winter. Dem Bauern und dem Sumperhof ging es gut und auch Brennholz hatten sie genug, um für die kalte Jahreszeit gerüstet zu sein.

Inzwischen war aber der Teufel auch wiedergekehrt und hielt gierig Ausschau, wie viele Blätter denn schon vom Eichenbaum harabgefallen waren. Da es ja bereits Dezember war und der Winter wieder Einkehr hielt, waren natürlich schon einige Blätter des Eichenbaumes am Boden zu sehen. So freute sich der Teufel, denn es kann ja nicht mehr lange dauern, und der Baum wird ohne Laub dastehen und der Bauer kann den Vertrag nicht einhalten, da er ja das Geld nicht wird zurückzahlen können!

Der Sumperbauer aber war frohen Mutes und das verwirrte den Teufel etwas: „Wie kann er denn froh durchs Leben laufen, wo er doch selbst jeden Tag das Laub vom Baum abfallen sieht?“ dachte der Böse und kümmerte sich aber nicht mehr weiter um den Bauern, da er sich seiner Sache ohnehin sicher war. Es wurde Jänner und es wurde Februar, und der Eichenbaum stand schon beinahe ohne Laub da. Der Satan kam jeden Tag um Ausschau zu halten und freute sich schon auf die Seele des Bauern. Dieser kümmerte sich noch immer nicht um den Baum und lebte fröhlich und ging munter seinem Tagwerk nach. Der Teufel wurde nun aber etwas nervös und dachte, was denn der Bauer im Schilde führen könnte. Noch nie hatte er einen Menschen gesehen, der nicht in Angst verfiel, wenn er einen Vertrag mit dem Teufel nicht halten konnte. Die meisten Menschen versuchten zu fliehen, oder den Teufel um Aufschub zu bitten, aber der Sumperbauer - nichts dergleichen – im Gegenteil, er winkte jeden Tag dem Satan lächelnd zu.

Es wurde Ende Februar und es wurde März, es wurde schon wieder warm und der Eichenbaum hatte noch immer Laub auf den Ästen. Nun wurde der Böse aber schon richtig zornig, denn er hatte keine Geduld mehr und konnte es nicht erwarten, bis das letzte Laub abgefallen sein würde. Es wurde Mitte März und es wurde Frühling und es begann bereits wieder neues Laub auf den Ästen des Eichenbaumes zu wachsen, das alte Laub war aber noch immer nicht ganz abgefallen. Jetzt erkannte der Teufel die List des Sumperbauern und tobte vor Wut. Er versuchte mit seinen Krallen das Laub des Eichenbaumes herunterzureißen, aber vergeblich. Das neue Laub wuchs bereits stark und es war noch immer sehr viel des alten Laubes auf den Ästen, wie es halt einmal Art der Eiche ist. Und die verzweifelten Versuche des Satans, mit seinen Krallen die Blätter von der Eiche zu reißen, hinterließen die bis heute sichtbaren Schlitze im Eichenlaub, die seit damals in allen Eichenblättern auf der ganzen Welt als Zeichen der Einfalt des Teufels zu sehen sind.

Der Teufel fluchte und speite Geifer und konnte sich vor Wut nicht mehr halten, so verschwand er dann in einer stinkenden Rauchwolke aus Schwefel im Boden und ward nie wieder am Sumperhof gesehen.

Der Sumperbauer lebte aber froh des Lebens und den Sieg über den Bösen, überstand auch noch das schwere Erdbeben vom 25. Januer 1348, welches sogar den Dobratsch einstürzen ließ, sogar die ins Land einstürzende Pest im Jahre 1349 überstand der Bauer und starb viel später als sehr alter und zufriedener Mann und wurde am Friedhof in Lamm auf der Saualm begraben.

Diese Geschichte erzählte mir meine längst verstorbene Großmutter immer, als ich noch ein Kind war. Sie stammt vom Sumperhof und auch die uralte Eiche ist noch immer zu sehen. Heute ist der Hof in einem anderen Besitz, der Stall halb abgerissen und zu einem Wohnhaus umgebaut, nur das alte Wohnhaus steht noch immer da. Hie und da fahre ich noch hin und sehe es mir an, es ist leider unbewohnt, aber die Geschichte vom Eichenbaum, dem schlauen Bauern und dem einfältigen Teufel hole ich mir dann immer in Erinnerung und sehe mir auch die schon ganz alte und teilweise verfallene Eiche am Hügel an.

Auch meine Großmutter liegt am Friedhof in Lamm begraben und auch das Grab besuche ich noch gerne, zünde eine Kerze an und bringe ab und an auch Blumen vorbei.

Quelle: Email-Zusendung von Martin Josef Schöffmann aus Ebenthal, 31. Jänner 2008.