Das Totenglöcklein von Mönchhof

Ein türkischer Anführer nahm aus Mönchhof die schöne Frau des Bauers Reich als Sklavin mit. In der Türkei dachte die Frau immer an ihren Mann und plante eine Flucht. Sie sparte monatelang die Goldstücke, die ihr der große Herr gab, und nähte sie in ihr Leibchen ein. In einer Nacht ergriff sie die Flucht. Bei Tag versteckte sie sich in Wäldern, und bei Nacht wanderte sie der Heimat zu. Eines Tages sah sie türkische Reiter dahersprengen. Sie flüchtete unter eine Brücke und preßte sich an einen Pfeiler, so daß sie von den Verfolgern nicht entdeckt wurde. Es vergingen Wochen um Wochen, und endlich erreichte sie Mönchhof. Zu ihrer Überraschung erfuhr sie, daß ihr Mann, im festen Glauben, sie werde aus der Gefangenschaft nicht mehr zurückkehren, wieder geheiratet hatte. Das war für die Heimgekehrte ein harter Schlag. Sie verzieh aber ihrem Manne und zog sich von der Welt zurück, um nun Gott zu dienen. Zur Erinnerung an ihre Rettung aus der Gefangenschaft stiftete sie der Kirche ein Glöcklein, das bei ihrem und ihres Mannes Begräbnis geläutet werden sollte. Seitdem blieb aber in Mönchhof der Brauch bestehen, daß, wenn ein männliches Mitglied der Familie Reich stirbt, das gestiftete Glöcklein geläutet wird.


Quelle: Adolf Parr und Ernst Löger, Sagen aus dem Burgenland, Anton Mailly Wien/Leipzig 1931, Nr. 98, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 148f.