Der Rosenstrauch zu Hildesheim
Als Ludwig der Fromme winters in der Gegend von Hildesheim jagte, verlor
er sein mit Heiligtum gefülltes Kreuz, das ihm vor allem lieb war.
Er sandte seine Diener aus, um es zu suchen, und gelobte, an dem Orte,
wo sie es finden würden, eine Kapelle zu bauen. Die Diener verfolgten
die Spur der gestrigen Jagd auf dem Schnee und sahen bald aus der Ferne
mitten im Wald einen grünen Rasen und darauf einen grünenden
wilden Rosenstrauch. Als sie ihm näher kamen, hing das verlorene
Kreuz daran; sie nahmen es und berichteten dem Kaiser, wo sie es gefunden.
Alsobald befahl Ludwig, auf der Stätte eine Kapelle zu erbauen und
den Altar da hinzusetzen, wo der Rosenstock stand. Dieses geschah, und
bis auf diese Zeiten grünt und blüht der Strauch und wird von
einem eigens dazu bestellten Manne gepflegt. Er hat mit seinen Ästen
und Zweigen die Ründung des Doms bis zum Dache umzogen.
Kommentar:
Mündlich.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 457