Die Ochsenberger Zwerge
Als Winkelmann im Jahr 1653 aus unserm Hessenlande
nach Oldenburg reiste und, über den Osenberg kommend, in dem Dorf
Bümmerstedt von der Nacht übereilt wurde, erzählte ihm
ein hundertjähriger Krugwirt, daß bei seines Großvaters
Zeiten das Haus treffliche Nahrung gehabt, anjetzo wäre es aber schlecht.
Wenn der Großvater gebrauet, wären Erdmännlein vom Osenberg
gekommen, hätten das Bier ganz warm aus der Bütte abgeholt und
mit einem Geld bezahlt, das zwar unbekannt, aber von gutem Silber gewesen.
Einsmal hätte ein altes Männlein im Sommer bei großer
Wärme Bier holen wollen und vor Durst alsogleich getrunken, aber
zu viel, daß es davon eingeschlafen. Hernach beim Aufwachen, wie
es sah, daß es sich so verspätet hatte, hub das alte kleine
Männlein an, bitterlich zu weinen: »Nun wird mich mein Großvater
des langen Außenbleibens wegen schlagen.« In dieser Not lief
es auf und davon, vergaß seinen Bierkrug mitzunehmen und kam seitdem
nimmer wieder. Den hinterlassenen Krug hatte sein (des Wirtes) Vater und
er selbst auf seine ausgesteuerte Tochter erhalten und, solang der Krug
im Haus gewesen, die Wirtschaft vollauf Nahrung gehabt. Als er aber vor
kurzem zerbrochen worden, wäre das Glück gleichsam mitzerbrochen
und alles krebsgängig.
Kommentar:
Winkelmann: Beschr. des oldenb. Horns, Bl. 15.
Happel (eines geborenen Hessen): Relat. curios., II, 525.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 43