Der Turm zu Schartfeld
Von dem Turm auf Schartfeld berichten viel alter
Leute, daß er keine Dachung leide, der Teufel darin hausen und nachts
viel Gerumpels droben sein sollte. Vorzeiten trug Kaiser Heinrich IV.
unziemliche Liebe zu eines Herrn auf Schartfeld Ehweib, konnte lange seinen
Willen nicht vollführen. Da kam er ins Kloster Pölde in der
Grafschaft Lutterberg, und ein Mönch machte ihm einen Anschlag. Er
ließ den Herrn von Schartfeld zu sich fordern ins Kloster und trug
ihm eine weite Reise mit einer Werbung auf. Der Ritter war dem Kaiser
untertan und gehorsam. Tags darauf zog der Kaiser mit dem Mönch in
weltlichen Kleidern auf die Jagd, kam insgeheim vor das Haus Schartfeld
und wurde von dem Mönch bis vor der Edelfrau Kemenate geleitet. Da
überfiel sie Heinrich und nötigte sie zu seinem Willen. Da soll
der Teufel die Dachung vom Turm abgeworfen und, in der Luft hinfahrend,
über den Mönch geschrien haben, daß er an dieser Untat
schuldiger sei als der Kaiser. Der Mönch war seit der Zeit im Kloster
stets traurig und unfroh.
Kommentar: Letzner:
Dasselische Chronik, Buch VI, c. 1.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 203