WOLPERSNACHT IN CELLE

In der Wolpersnacht - das weiß ein jeder - fahren die Hexen und die Hexenmeister auf den Blocksberg. Auch gibt es in jeder Stadt, natürlich meist ohne daß es die Leute wissen, böse Menschen, die mit dem Gottseibeiuns den Höllenpakt geschlossen haben und auf den Blocksberg reiten. Äußerlich kann man sie nicht von anderen Menschen unterscheiden; wer aber den Mut hat, in der Wolpersnacht in den Mondcshein hinauszugucken, der kann sie durch die Luft fliegen sehen und erkennt sie sofort, wenn er sie überhaupt kennt.

In Celle nun war einmal ein Schneider, der vermutete, daß es mit einigen von seinen Kunden auch nicht ganz richtig sei und wollte deshalb versuchen, ob er in der Walpurgisnacht sie nicht vorüber ziehen sehen und so auf die Wahrheit kommen könnte. Er guckt denn in der Wolpersnacht zum Fenster hinaus, und richtig, als die Glocke zwölf schlägt, kommt auch der hexenschwarm auf Besenstielen und Heugabeln, auf Schlangen, Eidechsen und anderem Vieh durch die Luft gesaust. Wirklich erkennt denn auch der Schneider unter dem Zuge Bekannte. Als sie aber wütend drohen und einen höllischen Lärm machen, wirft er vor Angst schnell das Fenster zu und sit froh, als der Zug fort ist. Allmählich aber faßt er wieder Mut, und er braucht nur bis ein Uhr zu warten, um den Zug, der eben vom Blocksberg zurückkehrt, jetzt keck durchzumustern. Als nun seine Bekannten näher kommen, ruft er dem einen zu: Guten Morgen, Herr Martin! O, ich kenne euch wohl! Da droht Herr Martin schjrecklich mit der Faust, und hast du nicht gesehen, hat der Schneider einen Kopf so dick wie ein Scheffelmaß, daß er ihn nicht mehr durchs Fenster in die Stube hineinziehen kann. Man hat nun das Fensterkreuz durchsägen müssen, um den Schneider aus seiner Klemme zu befreien; ob sein Kopf aber wieder dünner geworden ist, das kann ich nicht sagen.

Quelle: Will-Erich Peukert: Niedersächsische Sagen II. Göttingen 1968, S.426-427.
Die Sagen der Lüneburger Heide wurden von
Etta Bengen gesammelt und für SAGEN.at zur Verfügung gestellt.
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