DER GRAF VON EBERNBURG

Vor vielen Jahren lebte einst der Graf von Ebernburg. Das war ein so wilder und gottloser Jäger, daß kein Tag in der Woche verging, an dem er nicht eine große Hetzjagd abgehalten hätte. Ja, endlich wurde er frevelhaft genug, sogar der Sonntagsheiligung nicht mehr zu gedenken und selbst am Tage des Herrn seine tolle Jagdlust zu befriedigen. Wie er nun mit seiner wilden Gesellschaft, gefolgt von den schnellen, beutegierigen Hunden, über die Felder und Wiesen dahinritt, erschallte um neun Uhr der Ruf der Kirchenglocke und neben ihm standen zwei Männer, von denen der eine aussah wie ein Engel, der andere aber ganz schwarz von Farbe war. Jener machte dem Grafen von Ebernburg Vorstellungen ob seines gottlosen Treibens, dieser dagegen, welches der Teufel selber war, wußte ihm sogleich alle Bedenken durch spöttische und ruchlose Reden wieder aus dem Sinne zu bringen.

Dreimal sprach so der Gute dem Ebernburger zu, und dreimal verstand der Böse, alle Gewissensbisse in des Grafen Innern schweigen zu machen. Darauf verschwanden die beiden, und weiter jagte der wilde Mann mit seinen wüsten Genossen. Doch die Glocke hatte noch nicht die zehnte Stunde verkündet, als schon alle zu ihrem Schrecken gewahr wurden, daß sie nicht mehr auf ebener Erde waren, sondern hoch durch die Lüfte mit ihren Rossen und Hunden brausten. Jetzt hätten sie gerne aufgehört, aber nun war es zu spät. Ohne Ruhe und Rast muß der Graf von Ebernburg von der Stunde an bis in alle Ewigkeit hinein als wilder Jäger an der Spitze der Seinen durch die Lüfte ziehen.

Doch ist er trotz seiner Wildheit nicht ganz eines mitleidigen Sinnes bar, denn Kindern, die er beim Holzsammeln traf, rief er, um sie vor seinen bissigen Hunden zu bewahren, schon aus weiter Ferne zu: »Tretet auf den Mittelweg, sonst zerreißen euch meine Hunde!«


Mündlich aus Zabelsdorf, Kreis Randow.

Quelle: Volkssagen aus Pommern und Rügen, Ulrich Jahn, Berlin 1889, Nr. 15