WIE WISCHLBURG ZU SEINEM NAMEN KAM

Eine Leibspeise der Rottaler Bauern sind die "Gwichstn". Es sind dies kleine Knödel aus Mehl und Wasser, die so hart werden, daß man sie, wie der Rottaler selber sagt, über das Hausdach werfen kann, ohne daß sie zerspringen oder zerbröckeln. Weil diese Knödel so hart sind, so lassen sie sich nur mit dem Löffel ohne Gefahr aus der Suppenschüssel heben. Wer sie jedoch mit der Gabel anspießen will, muß nach dem rechten Knödel schauen und nach dem linken spießen, heißt es.

Ein Handwerksbursche kam einmal zur Mittagszeit in einen Rottaler Bauernhof und wurde zum Essen eingeladen. Auf dem Tische stand eine Schüssel Fleischbrühe mit "Gwichstn". Der Handwerksbursche hatte noch nie solche Dinger gesehen und gegessen. Als er gewohntermaßen mit der Gabel auf einen Knödel hinfuhr, sprang derselbe aus der Schüssel, über den Tisch und hinunter auf den Boden. Tyraß, der Hofhund, lag unter der Bank und rannte gierig auf den Flüchtling los. Der prallte aber an seinen Zähnen ab und kollerte wieder weiter zur Tür hinaus, die gerade offen stand. Tyraß wollte jedoch sich den Bissen nicht entgehen lassen und sprang ihm nach, von der Flötz in den Hof, vom Hofe auf die Straße. So oft er hinschnappte, hüpfte der Knödel wieder davon und so begann ein lustiges Treiben auf der Landstraße dahin. Bei einem Dorfe in der Nähe von Stephansposching endlich verfing sich der Knödel in einem Rinnsteine und Tyraß packte und verschluckte ihn mit heißer Gier. Jenes Dorf hatte damals noch keinen Namen. Weil nun der Hund hier den Knödel erwischte, ward es Wischlburg geheißen.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen