VON DER STEINKATHL

Vor mehr als hundert Jahren lebte in Oberneureuth bei Sonnen eine alte Jungfrau, die allgemein unter dem Namen Steinkathl bekannt war. Sie übte eine Schankwirtschaft aus und unterrichtete nebenbei die Dorfkinder im Lesen und Schreiben. Die Leute sagten ihr nach, sie stünde mit dem Teufel im Bunde und treibe allerlei Hexenwerk. Darum wollte es niemand mit ihr verderben und man mied ihr Haus so gut man konnte. Einmal trieb ein Bauer eine Kuh des Weges, die er in der Gegend gekauft hatte. Er wollte rasch an dem Anwesen der Steinkathl vorüber; aber ehe er sich's versah, stand sie schon vor der Haustüre. Sie schien seine Gedanken erraten zu haben und schaute ihm mit wütendem Blicke nach, zugleich mit einem Zauberspruche die Kuh verwünschend. Der Bauer hatte auch kein Glück mit der Kuh. Sie wollte nicht fressen, gab Blut statt Milch und nahm von Tag zu Tag ab, so daß ihm nichts übrig blieb als sie weit unterm Einkaufspreis wieder abzugeben.

Von Oberneureuth siedelte die Steinkathl später nach Haslberg über, wo sie sich ein neues Wirtshaus erbaute, zu dem ihr der Teufel über Nacht das gesamte Baumaterial herbeischleppte. Ihr Helfershelfer soll damals geschworen haben, daß kein Besitzer je auf dem Wirtshause absterben werde, was auch bis heute der Fall war.

Die Steinkathl war eines Tages spurlos verschwunden. Als ihre Zeit um war hatte sie der Teufel geholt.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen