EINE VILSTALER TRUD

Im Vilstal war eine Bauerndirn, die mußte, weil man bei ihrer Taufe einen Fehler begangen, "ins Drücken" gehen.
Einst nun passierte es ihr, daß sie erst wieder nach Hause kam, als schon der Tag angeläutet war. Für dieses Versäumnis mußte sie den ganzen Tag als Kröte zubringen. Als solche hüpfte sie nach dem Pferdestalle, wo sie sich verbergen wollte. Da trat eben der Knecht aus der Türe. Der schleuderte sie mit dem Fuße nach dem Stallburschen, welcher den Pferden gerade Futter gab; dann sagte er: "z'tritt dös Luada!" und zugleich warf er einen Prügel nach dem abscheulichen Tiere, das er auch in einem Hinterbeine verletzte. Der Stallbursche nahm aber einen Besen und kehrte die Kröte mitleidig in eine Ecke.

Nach langen, langen Jahren, als der Stallbursch bereits zum kräftigen Manne herangewachsen war, kam dieser einmal im oberen Vilstale in ein Bräuhaus, seinen Hunger und Durst zu stillen. Die Bräuin, die etwas hinkte, kam ihm mit der größten Liebenswürdigkeit entgegen und brachte ihm Bier, Brot und Braten. Als er bezahlen wollte, lächelte sie und sagte: "bist nix schuldi; hast mia a amal an guatn Deanst ta!" Sie war nämlich die Trud von damals.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen