AM PESTFRIEDHOF ZU RINCHNACHMÜNDT

Einmal pflügte ein Knecht den ehemaligen Pestfriedhof von Rinchnachmündt, der längst zu einem Acker umgewandelt war, frisch um. Während dieser Arbeit gingen plötzlich die Ochsen so unruhig, daß sich der Knecht nicht mehr zu helfen wußte. Kein Mensch war zu sehen, der ihm hätte beistehen können und so fing er denn nach Fuhrmannsart tüchtig zu schelten und zu fluchen an. Zu seinem Erstaunen legte sich sogleich die Störigkeit der Vierfüßler, die wieder ruhig und einträchtig ihren Gang trotteten. Als der Knecht nach Feierabend heimfuhr, fragten ihn einige Nachbarn, die seiner Arbeit von ferne zugesehen hatten, wer denn das Weibsbild gewesen sei, das in altwäldlerischer Tracht ihm die Ochsen geleitet habe. Er aber wußte von nichts. Des andern Tages wiederholte sich die Geschichte: die Ochsen wurden abermals störrig und der Knecht fluchte wieder und zwar mit demselben Erfolg wie gestern. Da sah er aufmerksamer nach den Tieren und gewahrte, daß ein blasses, hageres, etwas fremdartig gekleidetes Weib die Tiere führte. Voll Schrecken hielt er sogleich in seiner Arbeit inne und im Nu zerfloß die Gestalt in der Luft.

Weil der Knecht durch sein sündhaftes Schelten und Fluchen die Ruhe der Toten gestört hatte, deshalb mußte eine arme Seele auf die Erde zurück, um Ruhe zu bringen.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen