HERKOMMEN DES PFINGSTRITTS ZU KÖTZTING

Aus nah und ferne kommen zu Kötzting am Pfingstmontage morgens berittene Männer und Burschen zusammen, die in paarweiser Ordnung zur Kirche des heiligen Nikolaus in Steinbühl einen Kreuzgang ausführen. Voraus reitet ein Geistlicher mit dem Allerheiligsten, dann der Mesner, Fahnen- und Bildträger. Nachdem der feierliche Gottesdienst abgehalten und in einer wunderherrlichen Waldgegend und den um das Kirchlein aufgeschlagenen Wirtszelten einige Rast gemacht ist, steigt alles wieder zu Pferd und man kehrt in fröhlicher Stimmung zurück nach Kötzting. Selten, daß es beim Heimreiten im Gedränge ungeschulter Rosse und meist unsicherer Reiter zu einem Unfall kommt.

Der außerhalb des Marktes auf einem freien Wiesplatze angekommene Wallfahrtszug schließt sich zu einem Kreise und es empfängt hier ein Kötztinger Bürgerssohn, der nach dem Urteile und der Auswahl des Magistrates und des Pfarrers vor anderen als tugendreich gehalten wird, aus der Hand des Geistlichen ein aus Flieder, rotem Band und Silberdraht geflochtenes Ehrenkränzchen um den linken Arm. Es gehen verschiedene Überlieferungen über die Entstehung dieses Rittes, unter andern die folgende. Noch bedeckte der Urwald die Kirche und ringsher herrschte finsteres Heidentum. Unten im Tale von Chamerau aber bestand schon eine Christenkirche, zu welcher Steinbühl, weit oben in der Bergwaldung als Tochterkirche gehörte. Es geschah nun, daß der Chamerauer Pfarrherr noch nächtlicher Weile in seinen Filialbezirk gerufen wurde; es verlangte ein Sterbender nach der letzten Wegzehrung.

Weil aber die Heiden nicht nur, sondern auch grimmige Raubtiere den Pfad unsicher machten, entschlossen sich unterwegs die jungen Männer von Kötzting freiwillig, dem Geistlichen zu Pferd ein Schutzgeleite zu geben. Mit anbrechendem Tage brach eine Heidenschar hervor und des Priesters Leben samt dem Allerheiligsten schien in Gefahr. Da wurden die Gottlosen von den Kötztinger Jünglingen hart angefallen und in hitzigem Kampfe teils erschlagen, teils zur Flucht in die Wälder getrieben. Von solch mannhafter Tat soll das erwähnte Ehrenkränzchen ein Erinnerungszeichen sein.

A.Schöppner

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen