DIE PEST IN RUHMANNSFELDEN

Als die Pest in Ruhmannsfelden wütete, wohnte am Ende der damaligen Hofmark in einem niedrigen, hölzernen Häuslein ein Weber. Der ließ in der letzten Zeit wohl gar oft mit seinem Gesellen das Schifflein feiern und gedachte mit bangem Herzen der Zukunft, da er sah, wie man einen Nachbarn um den andern in den Friedhof hinaustrug. Eines Abends saß man beim Weber wieder beim spärlichen Kienspanlichte um den Tisch und las nach ebenso spärlichem Mahle aus dem Leben der Heiligen. Da schlug plötzlich der Geselle mit der Faust auf den Tisch und rief: "hilft alles nöt! Spirr ma amol d' Pest ei! Probiern ma's!" Der Weber hielt im Lesen inne und schob kopfschüttelnd die Legende weiter in den Tisch hinein. Die Weberin ließ die Nadeln rasten und legte seufzend das Strickzeug in den Schoß, während die zwei Kinder lachend von der Bank sprangen, in die Hände klatschten und schrien: "Sepp (so hieß der Geselle), Sepp, spirr ma s@ ei!" Und Sepp nahm auch gleich einen Bohrer, bohrte ein tüchtiges Loch in die Holzwand der Stube, indem er sprach: "Pest, ich will dich bannen!" Dann schlug er einen hölzernen Pfropfen darauf. Merkwürdig, von der Stunde an nahm die Pest ab und die Leute wurden bald wieder froh und guter Dinge. Nach Jahr und Tag kam das Reisefieber über Sepp, den Webergesellen. Er schnürte sein Ränzlein, sagte dem Weber und den Seinen "Pfüat Gott" und ging in die Welt hinein. Der Weber mußte sich um einen anderen Gesellen umsehen. Das war ein recht neugieriger und leichtfertiger Bursche. Am zweiten Tage schon gewahrte er den Holzpfropfen an der Wand. Als man ihm erklärt hatte, was derselbe bedeute, lachte er und sagte: "woll'n ma d' Pest wieda auslass'n!" und schlug mit einem Buchenscheit den Pfropfen aus der Wand. Da ging das Sterben von neuem los. Der erste aber, der starb, war der leichtfertige Webergeselle.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen