VON DER WALLFAHRT ZUM HL. KREUZ IN TANN (IN NIEDERBAYERN)

Von dem ehemaligen Schlosse des Grafen zu Leonberg, das einst östlich von Tann am sogenannten Burgstall beim heutigen Bergbauern stand, ging ein Steg über den Marktplatz zur Kirche. Auf diesem Stege befand sich ein Kruzifix, dem man wundertätige Kraft zusprach. Eines Tages aber war dasselbe spurlos verschwunden, bis es nach Jahren ein Schreinergeselle zufällig unter dem Fußboden der Werkstätte seines Meisters wieder vorfand. Es kam dann in die Hände des damaligen Oberschreibers am Pfleggerichte Eggenfelden. Dessen Sohn wurde Marktschreiber in Tann. Derselbe brachte es wieder nach Tann zurück. Fortwährend konnte die Wunderkraft des Bildnisses beobachtet werden und nun zeigte sich auch ohne jedes menschliche Zutun auf einmal eine äußere Veränderung an dem Kruzifix. Der Bart, der an der Christusfigur nur angeleimt war, fing plötzlich zu wachsen an. Man beschnitt ihn und er wuchs wieder. Überall wurde das bekannt und von allen Gegenden kamen Leute herbei, das Wunder zu schauen.

Fürsterzbischof Johann Ernst von Salzburg verfügte, daß das Kruzifix in der Tanner Kirche zur öffentlichen Verehrung ausgestellt werde. Am 3. Mai 1696 wurde es feierlicher Weis dahin überführt. Darauf entwickelte sich in Tann ein reges Wallfahrtsleben.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen