HEINRICH DER HEILIGE

In der Pfarrkirche zu Abbach ist auf dem rechten Seitenaltare folgendes Bild: Herzog Heinrich der Heilige sitzt in einem Stuhle; neben ihm steht ein Bischof, der mit der rechten Hand auf eine Inschrift an der Wand weist, die »post sex« lautet. Hiezu geht nachstehende Sage:

Herzog Heinrich der Heilige lebte am liebsten in seinem Geburtsorte Abbach. Von hier aus ging er häufig am frühen Morgen nach Regensburg um dort in St. Emeran der Messe beizuwohnen. Auf dem zweistündigen Marsche machte er bei Großberg gerne Rast auf einer Steinbank, die wir heute noch dort finden und die Jahreszahl 996 trägt. Sie führt die Bezeichnung »Kaiser Heinrichs Rast«. Sobald Heinrich bei der Kirche St. Emeran ankam, öffnete sich immer das äußere Tor der Kirche wundersamer Weise von selbst; das innere Tor wurde ihm stets vom Mesner aufgetan. Eines Tages fühlte sich Heinrich recht müde und er nahm aus einem Zaune am Wege einen Stecken um ihn als Stütze zu benützen. Siehe da, von nun an öffnete sich das Außentor der Emerankirche nie mehr von selbst.

Einmal kam Heinrich sehr frühe bei der Kirche an. Da der Mesner sich etwas verspätete, wartete er geduldig und machte in der Vorhalle der Kirche am Grabe des Bischofs Wolfgang tiefreligiöse Betrachtungen, als ihm plötzlich der hl. Wolfgang selbst erschien und mit seiner Rechten nach der Wand deutete, an welcher Heinrich mit Erstaunen in blendender Flammenschrift die Worte »post sex« erblickte. Heinrich sprach: »Will mich denn der Herr sobald erhören?« Denn er glaubte, die Erscheinung zeige ihm seinen baldigen Tod an. Sechs Stunden vergingen; aber Heinrich war noch am Leben. Ebenso verflossen sechs Wochen und sechs Monate und so verbrachte er schließlich sechs Jahre in ernsten Todesgedanken. Da starb der deutsche Kaiser. Die Wahl der Fürsten machte Heinrich als Heinrich Il. zu dessen Nachfolger und nach sechs Jahren, gerade am Jahrestage jenes seltsamen Erlebnisses in St. Emeran, wurde er in Rom zum Kaiser gekrönt.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen