GEIERSTHAL

In einem Dörfchen des Bayerischen Waldes ging man daran, eine Pfarrkirche zu erbauen. Man war aber lange im Zweifel darüber, wo man sie aufführen soll. Endlich einigte man sich und fing an, die Grundfeste zu graben. Es dauerte aber nicht lange und es kamen Geier, welche mit wildem Geschrei den Bauplatz umflogen. Sie wurden immer wütender und zudringlicher, ja, sie rissen sogar den Arbeitern ihr Werkzeug aus den Händen und schleppten es fort. In einiger Entfernung ließen sie es auf einem freien Platze wieder fallen. Man beriet nun, was das wohl zu bedeuten habe und kam schließlich überein, den Bauplatz an die Stelle zu verlegen, an welche die Geier die Kellen und Hämmer und Spaten hingetragen. Darauf beruhigten sich die Vögel und flogen fort. Das Dörfchen, in dem dies geschehen, heißt Geiersthal.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen