EINE ARME SEELE ERLÖST

In Grattersdorf war Kirchweih. Das war kein Trinken mehr, das war ein Saufen und als die letzten Zecher heimwärts wankten, war Mitternacht schon längst vorüber. Auf den Trizlocherwiesen dahin holperte auch so ein überdurstiger Bruder. Wie ein paar Türkensäbel hingen die Beine an der geknickten Gestalt und die bierschwere Zunge lallte: "is denn dös a no a Wirt, wo man koa Bier nöt kriagt! Bier her, Bier her oder i fall um!" Da auf einmal erklang in der Nähe ein jämmerliches Rufen. "Wo muß ich ihn hintun? Wo muß ich ihn hintun?" rief's. "Wost'n halt außa to hast!" grunzte der berauschte Kirchweihige. "Vergelt's Gott, jetzt bin ich erlöst!" kam es zurück und dann war es stille. Das war die arme Seele eines Bauern, welcher bei Lebzeiten einen Markstein in betrügerischer Weise versetzt hatte.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen