DIE ZWEI KREUZE

Auf der Straße nach Regen befinden sich nahe bei Sumperding zwei steinerne Kreuze. Dieselben sind etwa auf Zimmerlänge voneinander entfernt. Hier, so geht das Gerede, rauften sich zwei Burschen eines Mädchens wegen zutode.

Als einst beim Streurechen von diesem Vorkommnisse die Rede war, meinte eine alleswissenwollende Evastochter: "dös Weibaleut um dö's goltn hot muaß aba gwiß recht fei un sauba gwen sei. Sched mecht i 's sehng!" - Nachdem man sich "z' Holbaomd" *) etwas ausgeruht hatte, ging es wiederum an die Arbeit. Allen voraus sprang die neugierige Dirne. Bei einem der erwähnten Kreuze setzte sie sich nieder, um auf die langsam nachkommenden Gefährtinnen zu warten. Da sah sie auf einmal ein bildhübsches Mädchen neben sich, das traurig die Augen zu Boden heftete; endlich sprach es: "so, jetzt kannst Du mich sehen; aber laß mich dann in Ruh und ruf mich nimmer! Deinetwegen hab' ich aus der Ewigkeit herüber müssen!" Dann verschwand es.

*) Zu Halberabend = 3 Uhr nachmittags.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen