DIE VERSCHUNDENE FRAU

Auf dem über Schalterbach sich hinziehenden Höhenweg von Metten nach Deggendorf stand früher ein Marterl, über dessen Errichtung man folgendes hört:

Ein Mann ging mit seiner Frau einmal von Metten nach Hause. An der Stelle, an der das Marterl stand, blieb die Frau stehen und sagte zu ihrem Manne: »Geh nur langsam voraus, ich komme gleich nach!« und als der Mann eine Strecke gegangen war, hörte er plötzlich hinter sich einen fürchterlichen Schrei. Er eilte zurück, fand jedoch keine Spur mehr von der Frau. Dieselbe ist auch später nicht mehr zum Vorschein gekommen. Zur Erinnerung an diese Begebenheit wurde das Marterl aufgestellt.

Vielleicht hängt diese Erzählung mit einem alten Volksglauben zusammen, nach der eine Frau, welche sich nach ihrer Entbindung nicht hervorsegnen läßt, in Abwesenheit des Mannes vom Bösen, welcher genau Gestalt und Stimme des Mannes annimmt, aufgesucht und auf Nimmerwiedersehen mitgenommen wird?

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen