DIE STEINGRETL

Als man 's z' landauf, landab Leute warb, die bereit waren, mit ins gelobte Land zu ziehen um den Ungläubigen das Hl. Grab zu entreißen, da meldete sich auch ein armer, aber redlicher Köhler, der sein Weib und mehrere Kinder in Not und Elend zurücklassen mußte.

Nach langer Zeit kam die Kunde ins Land, daß das ganze Christenheer von den Türken erschlagen worden sei. Da grämte sich die Köhlerin - Margarete war sie getauft - derart, daß sie in Trübsinn verfiel. In diesem Zustande vernachlässigte sie sich selbst, ihre Kinder und das ganze Hauswesen, so daß die Leute gar bald sie und ihr Haus mieden. Etliche Monate darauf kehrte ihr totgeglaubter Mann plötzlich in die Heimat zurück. Sein Weib erkannte ihn, fühlte aber in dem Augenblicke das Beschämende ihres Zustandes, lief fort, sprang an der Brücke am Steinbach ins Wasser und ertrank. Seitdem kann man beim Mondenscheine die arme Frau häufig auf der Brücke sitzen sehen, wie sie mit einem eisernen Kamme ihr Haar ordnet und die Mütter in der Gegend von Holzapflern schrecken noch heute ihre Kinder, wenn sie sich nicht waschen und kämmen lassen wollen, mit den Worten: "bst, die Steingretl kommt!"

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen