DIE SCHNEIDERIN VON KASPARZELL

In Kasparzell bei Konzell lebte vorzeiten eine alte Schneiderswitwe, die allen Leuten möglichst aus dem Wege ging, der aber auch niemand zulief; denn sie galt als Hexe und war gefürchtet.

Wenn in der Pfarrei Konzell irgendwem ein Unglück zustieß, so wußte man immer gleich den Grund davon: »Die alt' Schneiderin hat's eahm (oder ihr) oto!« Für niemand sandte man die 7. Bitte des Vaterunsers: »Erlöse uns von dem Übel!« inniger zum Himmel als für sie. Endlich wurde sie bettlägerig und einige Wochen darauf machte sie die Augen für immer zu. Alle Leute der Umgegend atmeten wie von einem Alp befreit auf und in voller Aufrichtigkeit betete man: »Herr, gib ihr die ewige Ruhe!«

Als man sie zu Grabe trug flatterten plötzlich Raben herzu und setzten sich auf den Sarg. Der Mesner verscheuchte sie, worauf sie krächzend abzogen. Darauf spürten die Träger, daß der Sarg mit einem Male ganz leicht geworden war. Die Leute erzählten, daß der Teufel nun auch ihren Leib geholt habe.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen