DIE JOHANNISZECHE

In der Nähe von Buchet lag einst dicht am Fuße des Ossa ein Bergwerk, die Johanniszeche genannt, das reiche Goldadern barg. Die Leute, welche dasselbe ausbeuteten, erfaßte eine solche Goldgier, daß sie an nichts anderes mehr dachten als nur an das Gold. Sogar die Sonn- und Feiertage wurden ihnen zu Werktagen und setzten sie doch einmal aus, so geschah das nicht um in die Messe zu gehen, sondern um zu zechen, zu spielen, zu schlemmen und vor den anderen Leuten mit ihrem Reichtum zu prahlen. Karfreitag war es, als sie wieder nach Lam zogen und in den dortigen Wirtshäusern ihre Goldfuchsen springen ließen. Sie durchpraßten Tag und Nacht. Erst am Osterdienstag machten sie sich wieder an die Arbeit. Aber, o Schrecken! Das Bergwerk war inzwischen eingestürzt und eine Wiederaufrichtung desselben unmöglich. Noch heute erinnern mächtige Felsblöcke bei Buchet an die ehemalige Johanniszeche. Am Allerseelentage kann man zwischen dem Gestein ein eigentümliches Glitzern beobachten; aber greift man hinein um das vermeintliche Gold zu erlangen, so sind es Kohlenbrocken, was man in der Hand hat.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

Anmerkung:
von Th. Obermüller, Bergwerk "Fürstenzeche":

Bei dem oben angeführten Text handelt es sich um eine, vom o.g. Autor, völlig neu generierte Version. Diese ist bei uns im Lamer Winkel absolut unbekannt.

Der vorliegende Text wurde neu formuliert und etwas ausgeschmückt. Weiters wurde die im Originaltext genannte Silberzeche durch die ebenfalls im Lamer Winkel liegende Johanneszeche (Bergwerk auf Eisen) ersetzt.

Das Original, im übrigen die einzige überlieferte Bergbausage aus dem Lamer Winkel, das auch heute noch ausschliesslich in folgender Form erzählt wird, lautet wie folgt:

„..Im Volk, das die tieferen Gründe nicht erkennt, lebt noch heute die Sage,.dass Bergleute zur Feier der glücklichen Entdeckung einer Silberader bei der Ortschaft Silbersbach an einem Karfreitag in Lam frevelhafte Orgien gefeiert und bei der Rückkehr alles unter Wasser gefunden hätten. Deshalb hätte das weitere Suchen ein Ende gehabt. Das sündige Leben und Treiben der aus aller Herren Länder herbeigekommenen Bergleute mag dem frommen eingesessenen Teil der Bevölkerung längst ein Dorn im Auge gewesen sein, das den
Zorn Gottes herabforderte und Strafe verdiente.“

Bei der genannten Zeche handelt es sich um die am 6. Juni 1463 gegründete Silbergrube "Fürstenzeche" in Lam. Die Sage bezieht sich vermutlich auf die Schliessung der Grube durch Herzog Albrecht V., im Jahr 1550.
Der Inhalt der Sage nimmt einerseits bezug auf die Wasserprobleme untertage, die in der genannten Grube bis zum heutigen Tage bestehen. Der Hinweis auf das frevelhafte Tun der Bergleute am Karfreitag lässt sich aus Konflikten zwischen der LAmer Bevölkerung und den Bergbautreibenden erklären. Die Lamer Bevölkerung war dem Kloster Rott lehenspflichtig und stand auch unter der Gerichtsbarkeit diese Klosters. Die Bergbautreibenden wiederum waren nicht lehenspflichtig, unterstanden einer eigenen Gerichtsbarkeit, besassen einen eigenen Achterrat und waren in weitaus höherem Masse privilegiert als die normale Lamer Bevölkerung. Nach aktuellem Kenntnisstand existierten in Lam um das Jahr 1550 zwei unterschiedliche Gemeinwesen nebeneinander. Dass dies zu sozialen Problemen führte leuchtet ein.

Die Sage selbst wurde zum erstenmal aufgezeichnet und publiziert von Dr.G.Schrötter 1905 (Geschichte des Dorfes Lam und des Lamertales, Bibl. für Volks- und Heimatkunde, Bd.84), danach von Leyerer 1921 (Die Entwicklung des Berg- und Hüttenwerks Bodenmais. Mit Berücksichtigung des Lamer Bergbaus). – Inauguraldissertation verfaßt an der Hohen rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität, München), neuzeitlich von Prof.Dr.Haller, Zwiesel (unterschiedl. Publ.), und Obermüller 2000, 2003 (Das Silber- und Flußspatbergwerk „Fürstenzeche“ in Lam / Bayerischer Wald)

Quelle Anmerkung: Email-Zusendung von Th. Obermüller, Bergwerk "Fürstenzeche", 15. Dezember 2003