DIE FINSINGER

Es waren ihrer zwölf Finsinger. Sie wollten sich vergewissern, ob ihrer noch alle seien. Einer zählte: "I und du bist oana, zwö, droi" usw. Er brachte nur elf heraus, zählte wieder und noch einmal und kam nicht höher als auf elf. Sie schüttelten die Köpfe und wußten sich nicht zu raten. Da sahen sie einen Kuhfladen auf dem Wege, gingen hin und streckten nacheinander ihre Nasen hinein. Hocherfreut zogen sie von dannen, als sie fanden, daß ihrer doch zwölfe seien.

Ihrer neun wurden einmal von einem argen Ungewitter überrascht. Sie rannten flugs unter einen Schmeller (Grashalm) und mitleidig meinte einer von ihnen: "O lieber Herrgott, wie wird 's denen ergehen, die auf dem freien Felde sind!"

Einmal säeten die Finsinger Salz aus. Der Acker aber brachte lauter Brennessel hervor. Als sie das Kraut probierten, brannte es sie ordentlich auf die Zungen. "Is scho ebbs!" sagten sie. Nun wollten sie erfahren, ob das in der Mitte des Feldes stehende Kraut schärfer oder milder im Geschmacke sei, fürchteten jedoch, der Mann, der die Probe vornehmen sollte, könnte zu viel Pflanzen zertreten, darum setzten sie ihn auf eine Bahre und trugen ihn zu viert hinein.

Die Finsinger gehen sich jeden Samstag ihren weiten Kirchenweg voraus und meinen, sonntags näher zu haben. Am hl. Brunnen, zwischen Raindorf und Hangenleiten, wusch sich eine Anzahl Finsinger die Füße. Aber o weh, sie kannten dieselben nicht mehr auseinander. Glücklicherweise kam ein Mann des Weges, den sie um guten Rat angingen. Der Mann nahm darauf seinen Stock und schlug in den Brunnen. Flugs, hatte da jeder wieder seine Füße!

Ein Finsinger schickte seine Dienstboten in den Wald, Tannenreisig zu holen; dabei trug er ihnen auf, vom Asthaufen zuerst die zu unterst liegenden Reiser zu nehmen, damit sein schwächlicher Sohn nachmittags die oberen leichter fassen könne.

Die Sonne hatte eines Jahres das Korn schlecht gereift. Die Finsinger grämten sich darüber. Da sie nun eines Tages die Sonne durch einen Spalt an der Bretterwand in den Stadel scheinen sahen, entschlossen sie sich, die Sonne einzusperren. Rasch war der Spalt verstopft. So, nun konnte die liebe Sonne das Versäumte im Stadel drinnen nachholen.

Einmal rollten die Finsinger wacker Blöcher in die Ohe. Dabei stürzte einer kopfüber ins Wasser. "Jatz is aus", schrie gleich ein anderer, "schauts hi, der hot jo koan Kopf nöt!" "Gschwind, la(u)fts hoam", riet ein anderer, "und schaugts, ön sein Sunntahuat einö, mö is a da drinnat!"

Einige Finsinger wollten einmal einen Mühlstein den Berg hinunterbringen. Am einfachsten war es da, ihn hinunterzurollen. Einer sollte ihn leiten. Er steckte den Kopf in das Loch und nun ließ man den Stein unter lautem Halloh laufen. Unten angekommen, war der "Leiter" natürlich tot.

Mehrere Finsinger hatten zwei Laib Brot zu verzehren. Sie wußten nicht, welchem sie zuerst den Garaus machen sollten. Da ließen sie beide Laibe den Berg hinablaufen. Der zuerst unten ankomme, den wollten sie zuerst essen. Der weiße Laib verlor alsbald die Rinde. Da schrien sie: "Schwarzer lauf! Da weiß' hat an Rock scho auszogn!"

Ein andermal war einer beschäftigt, Scheitholz heimzuführen. Schon stiegen die Scheiter hoch über die Wagenleitern hinaus; aber er legte noch immer mehr hinzu und sagte fortwährend zu seinen Öchslein: "kinnts dös a no zoign?" Endlich war ein beinahe haushoher "Gupf" fertig und unser Finsinger ließ die Peitsche knallen: "Hüh!" Aber es rührte sich nichts, das Gefährte ging nicht von der Stelle. Da legt er seine Peitsche nieder und fängt an, wieder abzuladen. Wie er so Scheit für Scheit nimmt, meint er, an seine behornten Brüder gewendet: "kinnts dös a nimma zoign?" bis schließlich nur mehr der leere Wagen vor ihm steht und so geht es dann nach Hause.

Ein Bauer aus Finsing wollte die Wiese näher beim Hause haben. Er stellte es ganz einfach an, schlug einen Pfahl in die Wiese, spannte seine Ochsen daran und rief: "Hüa!" wäHhrend sich die Ochsen fruchtlos abmühten, erhob sich der Wind, der das Gras hin und her bewegte. "Zoigts nur a!" schrie der Bauer. "Rührt si scho!"

Zwei Finsinger gingen auf die Eichhörnchenjagd. Das Eichhörnchen sprang von Ast zu Ast, von Baum zu Baum. Der eine kletterte ihm nach, fiel aber so unglücklich herunter, daß er blutend und bewußtlos liegen blieb. Als ihn sein Kamerad auffand und das Blut gewahrte, sagte er: "Der hat's glei zsamt Haut und Haar gfrössn!"

Zwei andere Finsinger wollten miteinander im Walde Holz sägen; aber da sie immer gleichzeitig an der Säge zogen, so konnten sie nichts zuwege bringen. "Kinn ma nix mocha; is oana so stark wia da ana!" sprachen sie und gingen wieder heim.

Die Finsinger tranken gerne Kletzenmost. Um nun ihre Hausfrauen nicht immer mit dessen Zubereitung belästigen zu müssen, hingen sie einfach ein Säcklein mit Kletzen in den Brunnen. So hatten sie jederzeit Kletzenmost.

Schwarz war ihnen immer eine verhaßte Farbe und sie litten keinen Rappen, kein schwarzes Öchslein, keine solche Kuh, weder Hündlein noch Kätzlein von der Farbe. Da hatte einer eine schwarze Henne und nun kamen die Nachbarn und "traten" ihn, d. h. sie schmähten ihn und schalten ihn einen gottlosen Kern. Da nahm er die schwarze Henne und seifte sie tüchtig ein. Als sie über und über schaumweiß war, legte er sie in den glühenden Backofen, damit sie trockne. Nach Umfluß einer guten Stunde zog er sie wieder heraus. Mittlerweile hatte ihr die Hitze richtig die Federn weiß versengt; aber das Gackern und Eierlegen war ihr auch für alle Zeiten vergangen. Triumphierend zeigte er sie den anderen und sprach: "sehgts ös, kinnt hätt i's; aba ausgholtn hot sie's nöt!"

Die Finsinger bauten sich schließlich ein neues Rathaus und vergaßen die Fenster und Türen. Bald darauf kamen sie in die Stadt und sahen einen Mann mit einer umfangreichen Glatze an einem Fenster stehen. Sie glaubten, der Mann habe die Fenster und Türen seines Hauses mit dem Kopfe durchstoßen und dabei seine Haare eingebüßt. Als sie heimkamen, probierten sie es auch, rannten sich aber dabei die Schädel ein. Seit dieser Zeit gibt es keine Finsinger mehr.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen