DER WETTERPROPHET VON RINGELAI

In Ringelai lebte vor mehr als 200 Jahren ein Hirte, der die Gabe besaß, das Wetter vorherzubestimmen und darum hieß er in der ganzen Gegend nur der Wetterprophet. Ja, er erklärte, selbst die Gewitter machen zu können. "Wenn nur die Micheli-Hunde nicht waren", sagte er oft, "dann würde ich noch mehr Gewitter machen!" Micheli-Hunde hießen nämlich seit urdenklicher Zeit die Glocken des Michaelikirchleins in Ringelai, die beim Herannahen eines Gewitters immer geläutet wurden. Der Wetterprophet war aber auch sonst in der Zauberei bewandert. Er saß gerne in den Wipfeln der Waldbäume und trieb allerlei Schabernack und Hexenspiel. Schon die Art, wie er gleich einem Eichkätzchen rips, raps auf die Bäume kletterte, war merkwürdig und brachte ihm auch den Namen "Waldläuferbub" ein. Als er aber mit der Zeit in seinem Treiben immer mehr ausartete und den Leuten durch sein Gaukel- und Zauberspiel sogar Schaden brachte, ereilte ihn ein trauriges Geschick. Einer seiner Feinde stellte ihm nach und schoß ihn von dem Wipfel einer Tanne herunter.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen