DER TOD MIT DEM RECHEN

Auf der Straße Neuburg am Inn - Passau stand vor mehr als hundert Jahren ein Marterl, auf welchem der Tod mit einer Sense und einem Rechen, dem ein Zahn fehlte, abgebildet war. Die Inschrift gab folgende Aufklärung: an dieser Stelle begegnete ein Bauersmann, der von Passau heimkehrte, dem Tod. Der Bauer, zitternd vor Angst und Schrecken, ging mit schlotternden Beinen seines Weges. Der Tod folgte ihm. Nach einer Weile nahm sich der Bauer ein Herz und fragte seinen unheimlichen Begleiter, warum an seinem Rechen ein Zahn fehle. Der Tod antwortete: "ich habe mich heute in der Gegend umgesehen. In kurzer Zeit komme ich wieder und werde hier Ernte halten. Glücklich derjenige, der beim Zusammenrechen durch die Lücke meines Rechens entkommt!" Darauf verschwand er. Einige Monate später - man schrieb 1634 - kam die Pest ins Land und verheerte die ganze Gegend. Jener Bauersmann war in seinem Heimatdorfe der einzige, der am Leben blieb.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen