DER TEUFEL UND DER FROMME LEHRER

Geht man von Hintereben nach Poppenreut, so hat man an der Straßenkurve den Neufangberg mit dem Teufelsholz vor sich und kommt dann unmittelbar zum Teufelsschneider.

Diese Namen Teufelsholz und Teufelsschneider sind dadurch entstanden, daß das Volk in dem Glauben lebte, da herum habe der Teufel seinen ständigen Aufenthalt. Vor Jahrzehnten gab es gerade in dieser Gegend auch noch viele Zäune und Falltore (Falter) und auf der Säule eines solchen Falltores in unmittelbarer Nähe des Teufelssschneiders, da wo zur Zeit noch die Pestsäule steht, saß der Teufel allnächtlich um die 12. Stunde und machte manchem nächtlichen Wanderer seine Gaukeleien vor. Er zauberte einem einmal eine grausig tiefe Schlucht über den Weg, einem anderen eine unübersteigbare Felswand, ließ plötzlichen Wolkenbruch bei sternhellem Himmel herabprasseln usf., usw. und manchen, der nach Hintereben wollte, wohin er vom Teufelsholz etwa nur 10 Minuten zu gehen gehabt hätte, ließ er in der Irre herumlaufen, so daß er erst bei anbrechendem Morgen an sein Ziel gelangte. In dieser Gegend, nämlich in Poppenreut, lebte damals ein Lehrer, ein frommer, von allen Leuten der Gegend geachteter Mann, der für etliche Groschen, einen Laib Brot usw. umging 1), die Kinder im Lesen, Schreiben und Beten zu unterrichten. Er mußte oft schon um Mitternacht von zu Hause aufbrechen; denn er hatte bis Grainet zu tun. Wenn er so des Weges ging, den Rosenkranz in der Hand und stille betend, sah er den Teufel mehrmals auf der Faltersäule sitzen und höhnisch die Zähne bleckend; ja, es kam vor, daß der Teufel sich in frechen Worten über des Lehrers Frömmigkeit lustig machte. Da erhob der Lehrer einmal in gerechtem Zorn seine »Betn« 2), wie der Waldler sagt und schwang sie drohend nach dem Spötter aus der Unterwelt. Grinsend fletschte dieser wieder die Zähne und schrie: »Hau her!« Der Lehrer holte auch mit dem Rosenkranz zu wuchtigem Schlage aus 3) und ließ ihn unsanft in das Gesicht des Teufels niedersausen. Mit fürchterlichem Geheul sprang dieser von der Faltersäule herab und auf den Lehrer los, der immer rascher und rascher auf ihn einhieb, so daß schließlich der Rosenkranz zerriß und eine Perle desselben dem Teufel in den Rachen flog. Darauf stieß Feuer aus dem Rachen des Teufels, ein schauerliches Wehgeschrei erscholl und der Teufel war verschwunden. Er wurde auch nie mehr in der Gegend gesehen.

1) Umgehen bedeutet hier von Gemeinde zu Gemeine gehen.
2) Der Rosenkranz.
3) In früheren Zeiten waren meist nur Rosenkränze mit absonderlich großen Perlen, wie man sie heutzutage noch bei Mönchen sieht, im Volke gebräuchlich.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen